Rot-Rot wappnet sich gegen Terror

Mit dem neuen Polizeigesetz werden die Befugnisse der Behörden stark ausgeweitet

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Die rot-rote Landesregierung will das Polizeigesetz neu fassen, um künftig unter anderem härter gegen Terroristen vorgehen zu können. Einen entsprechenden Beschluss für eine Novelle des Polizeigesetzes verabschiedete das Kabinett am Dienstag. Anschließend muss der Entwurf noch durch den Landtag. Welche Neuerungen in das Gesetz aufgenommen werden sollen, stellte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Dienstag der Öffentlichkeit vor.

Angesichts der Kritik sowohl von rechts wie von links an diesem Katalog der neuen Polizeibefugnisse freute sich der Minister, mit seinem Entwurf »Maß und Mitte« gewahrt zu haben. Er verwies darauf, dass das gesamte Kabinett - also auch die Minister der LINKEN - seinem Entwurf zugestimmt haben.

Ziel sei es gewesen, so der Innenminister, die Befugnisse der Polizei rechtssicher auszugestalten und vor allem auf die veränderte Terror- und Gefährdungslage in Europa zu reagieren. Karl-Heinz Schröter: »Auch andere Bundesländer haben ähnliche Schritte unternommen.«

Wichtigster Unterschied zum bisherigen Polizeigesetz ist ebenjener im Entwurf aufgenommene gesonderte Abschnitt zur Terrorabwehr. Zwar konnte Schröter kein Beispiel dafür nennen, dass in Brandenburg sich eine solche Gefahr verwirklicht habe, doch verwies er auf den angrenzenden Metropolenraum Berlin. Der sei - wie alle anderen in Europa - permanent von Terror bedroht, und dort seien auch Brandenburger dem Terror zum Opfer gefallen.

Und im Übrigen gehe der Mensch ja eine Krankenversicherung auch nicht erst in dem Moment ein, in dem die Krankheit ausgebrochen sei. Als »notwendig und maßvoll« bezeichnete Schröter die Änderungen, die im Zuge der Debatte am ursprünglichen Entwurf vorgenommen worden seien. So sei der Einsatz von Fußfesseln bei Aufenthaltsgeboten wieder herausgenommen worden. Der Koalitionspartner der SPD, die LINKE, hatte die Fußfessel massiv kritisiert und auf Änderungen gedrungen. Die Freiheitsrechte der Bürger seien mit ihrer Partei nicht verhandelbar, sagte die Landeschefin der LINKEN, Anja Mayer

Geblieben ist dagegen: Zur Abwehr von Terrorismus sollen die polizeilichen Eingriffsmöglichkeiten umfassend erweitert werden. Der Entwurf sieht polizeiliche Identitätsfeststellungen, anlassbezogene automatische Kennzeichenfahndungen, Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbote vor. Neu eingeführt wird auch die sogenannte Quellen-TKÜ. Diese Überwachung der Telekommunikation ermöglicht bei Terrorgefahr den verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme - also beispielsweise Messengerdienste.

Einige der Maßnahmen stehen unter einem ausdrücklichen Richtervorbehalt. Neu geregelt werden soll auch der Einsatz von Explosivstoffen durch die Spezialeinheiten der Polizei. Unter bestimmten Voraussetzungen darf die Polizei dem Entwurf zufolge in Zukunft heimlich in Wohnungen eindringen. Nicht zuletzt zur Bekämpfung von allgemeiner grenzüberschreitender Kriminalität soll künftig die sogenannte Schleierfahndung ausgeweitet werden. Nunmehr gilt hier nicht nur ein 30-Kilometer-Bereich an der Grenze, sondern ganz Brandenburg als »Grenzgebiet«.

Neu eingeführt werden sollen auch Bodycams für die Polizei, das sind Aufnahmegeräte für Bild und Ton von dem, was sich vor einem Polizisten ereignet. Schröter: »Sie dienen neben der Dokumentation des Einsatzgeschehens vor allem auch der Eigensicherung und Deeskalation.« Erweitern will er ferner die Möglichkeiten zur Videoüberwachung und kurzfristigen Observation. Videoaufzeichnungen sollen künftig bis zu zwei Wochen gespeichert werden können, bisher sind es nur 48 Stunden. Vorgesehen ist weiterhin, dass bis Ende 2022 die Änderungen des Polizeigesetzes auf ihre Wirksamkeit hin umfassend bewertet werden. »Dann würde man sehen, was sich bewährt hat und was möglicherweise nicht«, sagte Schröter.

Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) gehen die Änderungen nicht weit genug. Um ein ausgesprochenes Aufenthaltsgebot durchzusetzen, seien 14 Beamte für eine einzige Person nötig, sagte GdP-Landeschef Andreas Schuster. Das nannte er »personell nicht leistbar«. Da wäre die Fußfessel doch das effektivere Instrument gewesen. Der nunmehr mögliche Einsatz von »Explosivstoffen« durch die Polizei ist für ihn nicht im erforderlichen Umfang klargestellt. Er bedauerte, dass der Polizei nach wie vor die Online-Durchsuchung verwehrt bleiben werde. Der Gesetzentwurf sei »ein Kniefall der SPD vor der LINKEN«.

Widerstand gegen die Novelle kommt vom »Bündnis gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz«. Der Gesetzentwurf sei eine »erhebliche Gefährdung für Freiheits- und Grundrechte durch geplante Verschärfungen«, heißt es in einer Erklärung. Das Bündnis kritisiert darüber hinaus die Begründungen, die Rot-Rot für seine Verschärfung vorlegt. Diese würden auf einer »erschreckend schwachen, irreführenden und mitunter gefährlichen Argumentation« basieren. Und: »Ein neuer, seitenlanger Terrorismusparagraf eröffnet nahezu uferlose Eingriffsbefugnisse weit im Vorfeld einer eventuellen Gefahrensituation.« Die Gegner des Polizeigesetzes planen für den 10. November in Potsdam eine Demonstration. Mitte November soll die Novelle im Landtag beraten und anschließend beschlossen werden.

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