LINKE setzt auf neue Gesichter

Spitzenduo Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter soll zur Landtagswahl 2019 antreten - Skepsis an der Basis

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Einstimmig sprach sich der Landesvorstand dafür aus, dass Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter das Spitzenkandidatenduo der brandenburgischen Linkspartei für die Landtagswahl am 1. September 2019 bilden sollen. Die LINKE plant, ihre Landesliste Ende Januar aufzustellen. Die 52-jährige Dannenberg und der 28-jährige Walter sollen die Plätze eins und zwei besetzen. Das beschloss der Landesvorstand bereits am Freitagabend.

Als die Landesvorsitzende Anja Mayer dies am Samstagmorgen bei einem Basistreffen der Partei im Potsdamer Bürgerhaus am Schlaatz verkündet, fällt der Applaus zunächst bescheiden aus. Nur ein Genosse klatscht begeistert, ein paar andere machen verhalten mit. Die übrigen Zuhörer nehmen es regungslos zur Kenntnis. Es sind früh um 10 Uhr nur 30 Genossen gekommen, später stoßen noch weitere hinzu. Doch in den Stuhlreihen bleiben sehr viele Plätze frei. Es ist nicht der Rahmen, eine mitreißende Rede zu halten. So spricht Sebastian Walter bei seiner Vorstellung zwar davon, dass die beiden Spitzenkandidaten die Wähler begeistern möchten. Eine Aufbruchstimmung kann er hier jedoch nicht erzeugen.

Dazu passt, was anschließend in einer von fünf sogenannten Murmelrunden herauskommt. Die Gäste des Basistreffens sollen mal frei von der Leber weg sagen, was sie von der Linkspartei halten. Sie sollen den Satz »Die LINKE ist für mich...« vervollständigen. Romy Neupert heftet Zettel mit den Antworten an eine Pinnwand. Da steht dann zu lesen: »...punktuell leider unglaubwürdig«, »...redet zu oft dran vorbei«, »...erreicht die Menschen kaum« und »...ist eine Partei ohne Biss«.

Immerhin reden die designierten Spitzenkandidaten nicht drum herum. Steigende Steuereinnahmen und sinkende Arbeitslosenzahlen sind zwar statistische Werte, die Erfolge der rot-roten Koalition belegen - Erfolge, die sich die LINKE gutschreibt. Für viele Einwohner gelte der Werbeslogan des Bundeslandes: »Brandenburg, es kann so einfach sein.« Einfach war es für Kathrin Dannenberg tatsächlich. Sie durfte, bevor sie 2014 Landtagsabgeordnete wurde, 24 Jahre lang als Lehrerin arbeiten und gut verdienen, wie sie erzählt. Sie habe aber auch die gesehen, denen es nicht gut ging: arme Kinder.

Mit seinem Gehalt als Regionsgeschäftsführer Ostbrandenburg beim Gewerkschaftsbund DGB kommt auch Walter ausgezeichnet zurecht. Er traf in seiner Funktion jedoch den Kellner, der zwölf Stunden täglich arbeitet und trotzdem nicht alle seine Rechnungen begleichen kann, und die alleinerziehende Mutter, die in einem Callcenter arbeitet und nicht weiß, wie sie das Kinderferienlager bezahlen soll. So etwas soll es 2025 in Brandenburg nicht mehr geben. Löhne und Renten sollen zum Leben ausreichen. Mit diesem »Sozialstaatsversprechen« wolle die LINKE in den Landtagswahlkampf ziehen, kündigt Walter an. Für diese Erklärungen bekommen die beiden Bewerber im Bürgerhaus am Schlaatz am Schluss doch noch ordentlich Beifall.

Ihre Ausführungen wiederholen sie um 12.30 Uhr bei einer Pressekonferenz im Lothar-Bisky-Haus. Von den Journalisten können sie keinen Applaus erwarten. Stattdessen gibt es kritische Nachfragen. Sie sei nicht sehr bekannt im Land, gibt Dannenberg zu. Bisher habe sie »leise« und »bescheiden« ihre Parlamentsarbeit gemacht. Nun müsse sie an ihrem Bekanntheitsgrad arbeiten und werde viel unterwegs sein. Walter hat den Eindruck, »dass die Menschen von den alten Politikertypen die Nase voll haben«. Insofern seien zwei unverbrauchte Gesichter und ein Neustart gut. Die Entscheidung, mit ihm einen 28-Jährigen zum Spitzenkandidaten zu machen, nennt Walter »mutig«.

Dass es ein Spitzenduo werden soll, erklärt Dannenberg schnörkellos. Sie sagt: »Das ist so ein Ding der Linken: ›Gemeinsam geht es besser.‹« Beide sind in blaue Anzüge gekleidet. Dieser Partnerlook ist Zufall. Dannenberg scherzt: »Ich bin gespannt, was er morgen macht, wenn ich einen Rock anziehe.« Eine Verabredung auf rote Klamotten misslingt. Denn Walter stellt bedauernd fest: »Ich besitze gar keine rote Hose.«

Kathrin Dannenberg ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Mit dieser Tochter war Sebastian Walter mal liiert, aber das ist schon einige Jahre her. Inzwischen ist er mit einer anderen Frau verlobt, will nächstes Jahr heiraten. Vom DGB will er sich für den Wahlkampf unbezahlt freistellen lassen. Mit Detlef Baer gab es von 2009 bis 2014 einen DGB-Regionsgeschäftsführer Mark Brandenburg, der gleichzeitig für die SPD im Landtag saß. Doch das werde er sich nicht zum Vorbild nehmen, versichert Walter. Wenn er im Landtag sitzt, werde er seinen Posten beim DGB abgeben, verspricht er.

Im Wahlkampf, so sagt Walter, wolle die LINKE für die Demokratie kämpfen und verhindern, dass die AfD stärkste Kraft werde. Mit einem Umfragewert von 23 Prozent liegt die AfD in Brandenburg gegenwärtig mit der SPD gleichauf vorn, gefolgt von CDU (21 Prozent) und LINKE (17). Es könnte sein, dass SPD, CDU und LINKE koalieren müssen, weil anders eine Regierung unter Ausschluss der AfD nicht gebildet werden kann. Die LINKE ist nicht begeistert von solchen Aussichten. »Ich habe bisher in meinem Leben keine positiven Erfahrungen gemacht mit der CDU«, sagt Walter. Am Ende entscheide der Wähler. »Vielleicht werden wir ja die stärkste Kraft«, meint Walter. Aber eine Koalition mit der CDU ausschließen kann die LINKE nicht. CDU-Landeschef Ingo Senftleben hatte schon laut darüber nachgedacht, musste aber nach Kritik aus den eigenen Reihen zurückrudern.

Nun doch nicht für den Landtag kandidieren will Ex-Sozialministerin Diana Golze (LINKE). Sie bestätigte jetzt, dass sie stattdessen ein Jobangebot annehmen möchte. Was für ein Job das ist, wollte sie »hier und heute« nicht verraten. Ehrenamtliche Landesvorsitzende will sie bleiben.

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