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Rassismus und Maisfelder
Midterm-Wahlen: In Iowa muss der Rechtsaußen-Republikaner Steve King plötzlich um seine Wiederwahl bangen
Vielleicht hat Steve King noch einmal Glück. Vielleicht kommt er in der Wahlnacht am 6. November knapp davon. Doch wenn nicht, dann waren es wohl die Ereignisse der letzten Tage, die den ultrakonservativen Hinterbank-Republikaner, der plötzlich im nationalen Rampenlicht steht, seinen Sitz im Repräsentantenhaus gekostet haben.
King ist Abgeordneter für Iowas 4. Wahlbezirk. Der liegt sechs Autostunden westlich von Chicago auf dem sprichwörtlich platten Land. Die Bilder im Wahlkampfspot von King zeigen weite Maisfelder und Landhäuser. Solide konservativ, so beschreiben Politikanalysten »Iowa 4«. Donald Trump gewann hier 2016 mit 27 Prozentpunkten Vorsprung.
»Iowa 4« ist so konservativ, dass King in der Vergangenheit kaum Wahlkampf machen musste. Acht Mal wurde er wiedergewählt. Erst in den letzten Tagen ließ er ein Wahlkampfvideo von 2014 noch einmal im Fernsehen laufen. Er sei in Iowa aufgewachsen, habe 40 Jahre im selben Haus gewohnt. Im Wohlfühlspot stellt sich King als Familienvater, der mit den Hunden spielt dar. Die Andeutung auf seine politischen Überzeugungen kommt nur versteckt im Spot vor: Er wolle »für Amerika kämpfen« und wenn nötig dafür auch anderen »auf die Füße treten«.
King war schon ein Mini-Trump, als der derzeitige US-Präsident noch ganz unpolitisch in der Fernsehshow Apprentice aufstrebende Jungunternehmer feuerte und mit überzogenen Versprechen bei seinen Immobiliendeals Geschäftspartner über den Tisch zog.
2006 forderte der Mann aus Iowa einen elektrischen Zaun an der Grenze zu Mexiko, Zäune hätten sich ja »bei der Haltung von Tieren bewehrt«. 2008 verkündete er Barack Obama sei der »Retter« von Islamisten weltweit. Zwei Jahre später twitterte er über einen Waschbären, den er gejagt und erschossen habe, als dieser im Zuge eines Wintersturms in seinem Haus Zuflucht suchen wollte. Den Multikulturalismus lehnte der ehemalige Polizist, der später Bauunternehmer wurde, schon lange ab. Doch in den letzten Jahren driftete er immer weiter nach rechts, retweetete auch Neonazis.
Im vergangenen Jahr bekundete er auf Twitter seine Unterstützung für den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders und fabulierte über einen Bevölkerungsaustausch und die Rettung der weißen Zivilisation. Immer, wenn King mit neuen rassistischen Bemerkungen auffiel, widersprach die Führung der Republikaner, distanzierte sich und wartete bis Gras über die Sache gewachsen war – bis jetzt.
Ende August diesen Jahres traf King sich in Österreich mit FPÖ-Mitgliedern auf einer Reise, deren Flugkosten von der NGO »From The Depths« finanziert wurde. Die Organisation will Politiker über den Holocaust aufklären. King nutzte die Reise auch für ein Interview, mit der österreichischen rechts-außen Website »unzensuriert«, um über den Einfluss von George Soros auf einen vermeintlichen »Plan« zu einem »Bevölkerungsaustusch«, eine in der radikalen Rechten weitverbreitete rassistisch-antisemitische Fantasie, zu reden.
Dann sandte ein Trump-Anhänger in der letzten Oktoberwoche Briefbomben an prominente Politiker der Demokraten und George Soros. In einer Synagoge in Pittsburgh tötete ein Attentäter 11 Juden. Die Tat schockierte die ganze Nation. Auch der Attentäter hatte vorher auf sozialen Medien rassistische und antisemitische Theorien von einem »Bevölkerungsaustausch« geteilt. »Was er dazu sage, dass er die gleiche Ideologie habe, wie der Attentäter«, wollte Ende letzter Woche ein Mann auf einer Veranstaltung mit King in Iowa wissen. Der unterbrach den Fragesteller wütend, verweigerte die Antwort. Das Video der Konfrontation verbreitete sich im ganzen Land, wieder richtete sich die mediale Aufmerksamkeit der Nation für einen kurzen Moment auf jenen ländlichen Wahlbezirk in Iowa und seinen ultrarechten Vertreter.
Doch dieses Mal hatten Kings Äußerungen Konsequenzen. Das nationale Wahlkampfkommitee der Republikaner entzog King seine Unterstützung. Andere Spender wie der Chiphersteller Intel, der Mobilfunktanbieter AT&T sowie der Milchmulti Land O’Lakes folgten. Zumindest etwas Hilfe könnte King eigentlich gut gebrauchen, weil sein Bezirk nicht nur wegen seiner rechten Äußerungen in den letzten Wochen unerwartet umkämpft geworden ist.
In einer Umfrage von Anfang September lag King 11 Prozentpunkte vor seinem demokratischen Herausforderer JD Scholten. Der ehemalige Baseballspieler hat sich einen Campingbus gekauft und tourt mit diesem seit Monaten durch alle Landkreise seines Wahlkreises, ähnlich wie der Texaner Beto O'Rourke. Scholten hat eine Vielzahl kleiner Veranstaltungen abgehalten und kritisiert: Sein Gegner stelle sich kaum in öffentlichen Veranstaltungen den Wählern im Bezirk.
Sein Slogan ist »Aufrecht stehen für alle«, er will eine »nachhaltige lokale Landwirtschaft« und kleine Familienfarmen gegen den Druck der Agrarmultis erhalten, ist ein Unterstützer von Gewerkschaftsrechten und eines höheren Mindestlohns. Scholten, der zuletzt als Anwalt arbeitete, will eine staatliche Gesundheitsversorgung und die Studiengebühren an staatlichen Colleges abschaffen. Der Demokrat, der das vertritt, was Politikwissenschaftler »progressiven Populismus« nennen, eine volksnahe linke Politik auf dem Land, will kein Verbot von Abtreibungen diese aber reduzieren.
Er hat angekündigt gegen die Küstenliberale Nancy Pelosi stimmen zu wollen, wenn diese erneut zur Wahl des Parteivorsitzes bei den Demokraten antritt. Er will die Waffengewalt im Lande reduzieren, betont aber auch verantwortlichen Waffenbesitzern ihre halbautomatischen Waffen nicht wegnehmen zu wollen. Scholten will die Umwelt schützen, aber auch Jäger. Außerdem möchte er ländliche Krankenhäuser offenhalten und langfristig Medicare for all – eine staatliche Gesundheitsversorgung – einführen.
Vielleicht könnte ein solches Programm und die Graswurzelkampagne zum direkten Wählerkontakt die Formel sein, um einen rechten Republikaner im Mittleren Westen zu stürzen. Laut neuesten Umfragen von Ende Oktober liegt King nur noch etwa vier Prozentpunkte vorne. Eine andere Erhebung zeigte gar nur einen Vorsprung von einem Prozent. Innerhalb von 48 Stunden ergoss sich daraufhin aus der ganzen Nation ein Geldregen von über 600.000 US-Dollar über Scholten. Amtsinhaber King hatte Ende Oktober laut der NGO Open Secrets nur rund 700.000 US-Dollar Wahlkampfspenden gesammelt, Scholten dagegen 1,6 Millionen. Er hat nun genug Geld, um weitere Spots im Lokalfernsehen laufen zu lassen. Vermutlich deswegen lässt King nun kurz vor Ende des Wahlkampfes noch einmal seinen Wahlkampfspot von 2014 laufen. Vermutlich wird das reichen, gerade so.
Die Recherche für diesen Text wurde mit Mitteln der Rosa-Luxemburg-Stiftung finanziert.
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