Weltweit erste Schwarz-orange-Koalition steht

CSU und Freie Wähler besiegelten bayerischen Regierungsvertrag / Horst Seehofer ließ sich entschuldigen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Noch vor der konstituierenden Sitzung des Landtages am Montag unterzeichneten die Verhandlungsführer von CSU und Freien Wählern am Montag ihren Koalitionsvertrag, den die Führungsgremien beider Parteien am Vorabend besiegelt hatten. Es handele sich um die »immerhin weltweit die erste Koalition von CSU und Freien Wählern«, merkte Ministerpräsident Markus Söder nur leicht ironisch an. CSU-Chef Horst Seehofer nahm an der Zeremonie in München nicht teil. Er habe in Berlin zu tun, erklärte der Bundesinnenminister - die Affäre Maaßen ließ grüßen. Erst Mitte des Monats wolle er sich zur CSU-Führungsdebatte äußern, erklärte Seehofer, nachdem der angekündigte Rückzug Angela Merkels von der CDU-Spitze ihn unter zusätzlichen Zugzwang gesetzt hat. Mitte des Monates wird die Landesregierung vereidigt. Bis dahin scheint Seehofer abwarten zu wollen. Gewählt ist er bis Herbst 2019.

Anders als Seehofer, konnten die Verhandlungsführer Markus Söder und sein künftiger Vize Hubert Aiwanger von den Freien Wählern sich als dienstbare Geister der Wähler darstellen. In einer Erklärung der CSU ist von Bayernkoalition die Rede, von Zukunftskoalition, von Familienkoalition. Familien mit kleinen Kindern sind auch Nutznießer des größten Teils der Mehrausgaben, die die Koalition geplant hat. 1,2 Milliarden Euro sind diese Mehrausgaben schwer, auch wenn Schwarz-Orange den Schuldenabbau weiter vorantreiben will; bis 2030 soll Bayern schuldenfrei sein. 42 000 neue Betreuungsplätze für Kinder bis zu sechs Jahren sollen entstehen, mit 100 Euro bezuschusst das Land künftig monatlich jedes Kind in der Kita.

Newsblog zur US-Wahl
Das »nd« wird die Wahlnacht live im Netz begleiten. Moritz Wichmann (direkt aus Miami im US-Bundesstaat Florida) und Oliver Kern werden ab 15 Uhr bis in die frühen Morgenstunden am Mittwoch live auf dasND.de/uswahl alle Abstimmungen erklären und über die wichtigsten Ergebnisse informieren. Also Kaffeemaschine anschmeißen und mitlesen!

Dass die Koalition durchaus auf das starke Abschneiden der Grünen bei der Wahl reagiert, zeigt sich darin, dass Klimaschutz in Bayern künftig Verfassungsrang erhält. Ein eigenes Klimaschutzgesetz wird hierfür die Bedingungen zum Beispiel in Form konkreter Ziele zu den Kohlendioxidemissionen schaffen. Und nicht mehr als fünf Hektar pro Tag sollen künftig in Bayern zubetoniert werden. Wer Flächen etwa durch Abriss wieder entsiegelt, bekommt hingegen eine Prämie. Eine Landesagentur für Energie und Klimaschutz wird mit 20 Millionen Euro ausgestattet. »Bayern kann grüner werden, auch ohne die Grünen«, meinte Ministerpräsident Söder. 5000 Lehrer sollen neu eingestellt werden, und auch die Zahl der Polizisten soll bis 2023 jährlich um 500 wachsen - auf insgesamt 45 000 Beamte. Die Zahl der Pferde dagegen lässt aus der Warte der Polizei zu wünschen übrig. Statt 200 Pferde in den Großstädten sind nun nur 100 für die Polizei-Reiterstaffeln in München und Nürnberg vorgesehen. Dafür werden mehr Diensthunde angeschafft. Der von der CSU geforderte Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen wird in dieser Legislaturperiode nicht weiter verfolgt. In den Großstädten wird im öffentlichen Nahverkehr ein 365-Euro-Jahresticket eingeführt.

Bei ihren Kritikern konnte die Koalition gleichwohl keine Milde erwarten. »Leider war es zu erwarten, dass die Probleme der Menschen in Bayern mit diesem Koalitionsvertrag nicht gelöst werden«, beklagte Ates Gürpinar, Landessprecher der LINKEN. Er erinnerte an die Demonstrationen Zehntausender Menschen in den letzten Monaten für mehr bezahlbaren Wohnraum, gegen Überwachung und für eine humane Flüchtlingspolitik. In diesen Bereichen gebe es keine wesentlichen Verbesserungen. Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, spricht von einem Totalausfall in der Asylpolitik. Vorgesehen seien nur Repression, Lagerunterbringung und Verbote aller Art.

Dem »kleinteiligen Vertrag« fehle klar die soziale Handschrift, monierte auch der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Thomas Beyer. Kita-Gebühren würden nicht wirklich abgeschafft, es fehle ein Konzept gegen Kinderarmut, für die Pflege gebe es keine zusätzlichen Impulse. Und auch auf die Wohnungsnot habe die Koalition keine neuen Antworten, »eine dringend erforderliche Wohnungslosenstatistik wird weiter verweigert«.

Alfred Gaffal, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, lobte hingegen, dass für das wichtige Thema Digitalisierung ein eigenes Ministerium geschaffen wird. Mobilfunklücken sollen in Bayern geschlossen, schnelles Internet überall verfügbar werden. Doch auch Gaffal fand einen Makel, nämlich das Moratorium für den Bau der dritten Startbahn in München. Das Wirtschafts- und Energieressort wird künftig in der Hand der Freien Wähler liegen. Ebenso wie das Kultusministerium sowie das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Klagen wurden bereits darüber laut, dass in der neuen Regierung noch weniger Frauen Ministerämter bekleiden als bisher.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.