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Tiefe Gräben im politischen Erfurt
Thüringer CDU-Fraktion schlägt Michael Heym als Landtagspräsident vor, doch der hat schlechte Karten
Am Tag danach macht Michael Heym keinen geknickten Eindruck. Er geht so freundlich wie in der Vergangenheit ans Handy und lässt mit keiner Silbe erkennen, dass es ihn persönlich irgendwie getroffen haben könnte, was die Grünen am Tag zuvor über ihn gesagt haben: Dass sie es als eine »Provokation« empfinden, dass der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Mike Mohring, ihn - Heym - als neuen Landtagspräsidenten vorgeschlagen hat.
Dagegen spricht der CDU-Abgeordnete von »Respekt vor den Kollegen«, der es ihm verbiete, presseöffentlich darüber zu reden, was er davon hält, dass andere Landtagsabgeordnete ihn so sehen. Denn tatsächlich haben sich die Grünen ja festgelegt: Sie wollen Heym nicht zum Landtagspräsidenten mitwählen. Eine Haltung, der sich inzwischen auch die Thüringer SPD-Landtagsfraktion angeschlossen hat. Was nichts anderes heißt, als dass Heym nicht Landtagspräsident werden wird. Denn ohne die rot-rot-grünen Stimmen kann die CDU ihn nicht dazu machen. Doch Heym will sich davon trotzdem nicht entmutigen lassen.
Ganz im Gegenteil: Er habe allen im Landtag vertretenen Fraktionen angeboten, sich bei ihnen vorzustellen, um »den Kollegen meine Gedanken, meine Beweggründe« dafür zu erläutern, dass er nach wie vor für das Amt des Landtagspräsidenten zur Verfügung stehe, sagt Heym am Telefon. Die Grünen hätten dieses Angebot auch schon angenommen - trotz ihrer Erklärung vor einigen Tagen. Am Mittwoch stelle er sich in der Fraktion vor - was die Grünen so bestätigen. »Ich finde, das gehört sich«, sagt Heym dann noch; aus - richtig - »Respekt vor den Kollegen«.
Der Thüringer Landespolitik steht vor diesem Hintergrund also so oder so eine überaus spannende Woche bevor. Immerhin soll die Wahl eines neuen Landtagspräsidenten laut der vorläufigen Tagesordnung für die Plenartage im November am Freitag um 12 Uhr erfolgen. Denn wenn Heym nicht neuer Landtagspräsident wird, stellt sich damit automatisch die Frage: Wer wird es dann? Und: Wird Rot-Rot-Grün einen Kandidaten aus den eigenen Reihen für das Amt an der Parlamentsspitze nominieren, wo doch das Vorschlagsrecht für diesen Job traditionell bei der größten Fraktion eines Parlaments liegt. Was in Thüringen seit der Wende immer die CDU war beziehungsweise ist. Andererseits: Mohring hat das Vorschlagsrecht der Union mit der Nominierung Heyms ja wahrgenommen. Nur bedeutet Vorschlagsrecht noch nicht, dass die anderen Fraktionen dem gemachten Vorschlag zustimmen müssen.
So gesehen freilich ist die Causa Heym schon jetzt von großer Bedeutung für den Thüringer Landtag. Denn wenngleich es im politischen Erfurt wieder jene gibt, die glauben, Mohring stelle Rot-Rot-Grün gerade eine politische Falle, indem er dem Bündnis mit Heym einen potenziellen Parlamentspräsidenten vorgeschlagen hat, den LINKE, SPD und Grüne kaum akzeptieren können, so gibt es doch auch eine andere, viel trivialere Lesart des Ganzen: Nämlich die, dass sich Mohring und die Männer und Frauen hinter ihm verkalkuliert haben; dass sie sich trotz all ihrer politischen Erfahrungen nicht wirklich in die Gedankenwelt von Linken, SPD und Grünen hinein versetzen konnten; dass sie völlig unterschätzt haben, wie groß und unvergessen die Wunden sind, die sich die Union auf der einen und Rot-Rot-Grün auf der anderen Seite in dieser Legislaturperiode schon zugefügt haben.
Nicht zufällig eben begründen die Grünen ihre Ablehnung Heyms maßgeblich mit einer schon mehr als drei Jahre zurückliegenden Rede des 56-Jährigen im Landtag. Damals hatte er Behauptungen über Flüchtlinge und Migranten in die Welt gesetzt, die sich später als mindestens stark übertrieben herausstellten. Im Plenarprotokoll ist all das ebenso festgehalten wie es sich in die Köpfe der Grünen eingebrannt hat.
Wer im Landtag redet, das zeigt die Causa Heym eindrucksvoll, kann eben nicht darauf setzen, dass seine Worte übermorgen schon wieder vergessen sind. Besonders nicht, wenn seine Worte harsch sind.
Die Nominierung Heyms und seine Ablehnung durch die Grünen ist damit auch eine Vorschau darauf, wie schwer es werden wird, nach der Landtagswahl 2019 ein neues Regierungsbündnis zu schmieden, sollte es nicht für eine Fortsetzung von Rot-Rot-Grün reichen. Wonach es seit Langem nicht mehr aussieht. Denn auch dann wird man sich in den heutigen Regierungs- und Oppositionsfraktionen an so mache verletzende Rede aus der Vergangenheit erinnern. Die Gräben im politischen Erfurt sind so tief wie vielleicht noch nie.
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