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Am Ende konkurrenzlos: Frans Timmermans

Europäische Sozialdemokraten ziehen mit Vizekommissionschef in den EU-Wahlkampf / Durch Europa verlaufende Gräben gibt es auch in der SPE

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 4 Min.

Es gehe um nicht weniger als »die Seele des Kontinents«, darum ein »geeintes Europa« gegen Populisten und Nationalisten zu verteidigen. Mit großen Worten erklärte sich Franciscus »Frans« Timmermans am Dienstag vor einer Sitzung der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europaparlament S & D.

Am Tag zuvor hatte der einzige Rivale im Rennen um die Spitzenkandidatur der europäischen Sozialdemokraten, der Slowake Maroš Šefčovič, seine Kandidatur zurückgezogen und Timmermans die Unterstützung ausgesprochen. Šefčovič wird nun eine Gruppe leiten, die bis Anfang 2019 das politische Programm für Europas Sozialdemokraten erarbeiten soll.

Damit ist die offizielle Kür des 57-jährigen Niederländers Timmermans auf einem Europa-Parteitag am 7. und 8. Dezember im portugiesischen Lissabon nurmehr eine Formalie. Timmermans ist Erster Vize des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten kann er sich theoretisch Hoffnungen auf dessen Nachfolge machen; die Wahl steht im Herbst kommenden Jahres an. Doch da der Kommissionspräsident mit einfacher Mehrheit vom EU-Parlament bestimmt und den Sozialdemokraten ein Stimmenverlust bei den Europawahlen im Mai 2019 prognostiziert wird, sind die realen Chancen von Timmermans wohl eher begrenzt.

Dass er nun ganz ohne Gegenkandidaten dasteht, stärkt Timmermans indes innerhalb seiner Fraktion im EU-Parlament. Gleichzeitig überdeckt die inszenierte Einigkeit, dass auch hier Gräben existieren, die sich in den vergangenen Jahren vertieft haben. Dies vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedsparteien der europäischen Sozialdemokratie vielerorts mit schwindendem Wählervertrauen zu kämpfen haben: Nicht nur in der Bundesrepublik sind die Wahlergebnisse geschrumpft, auch in den Niederlanden, in Frankreich, Griechenland, Österreich oder Schweden mussten Sozialdemokraten Verluste einstecken, wurden von der Regierung abgewählt, mancherorts in die Bedeutungslosigkeit katapultiert.

Und politisch ist - auch in Bezug auf die EU und den von Timmermans angeprangerten Nationalismus - das in der S & D versammelte Spektrum ähnlich breit wie jenes in der konservativen EVP. Dieses prangerte indessen der Vorsitzende der deutschen Gruppe in der Fraktion der Sozialdemokraten, Jens Geier, am Donnerstag aus Anlass der Wahl Manfred Webers zum EVP-Spitzenkandidaten, scharf an. »Die Konservativen paktieren mit Kräften, die gegen Demokratie, Menschenrechte und die Zusammenarbeit in Europa arbeiten«, so Geier. Und: »Schmeißen Sie Viktor Orbán aus der EVP, Herr Weber!«

Dabei hat die S & D ihren eigenen Orbán - der heißt Robert »es ist unmöglich, Muslime zu integrieren« Fico und ist sozialdemokratischer Regierungschef der Slowakei. Die slowakische Smer-SD regiert als stärkste Kraft des Landes in einer Links-Rechts-Koalition mit der nationalistischen SNS, ist Teil der Visegrád-Gruppe, zu der auch Ungarn, Polen und Tschechien gehören - und stand beispielsweise mit diesen Ländern zusammen gegen die EU-Kommission im Streit um die Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU.

Als Maroš Šefčovič, der am Montag den Verzicht auf die Spitzenkandidatur erklärte, Mitte September seine diesbezüglichen Ambitionen öffentlich gemacht hatte, nutzte Sven Giegold von den Europäischen Grünen die Gelegenheit, um den Finger in die Wunde zu legen. Šefčovič müsse sich »nun endlich unmissverständlich zu den Zuständen in seiner Partei Smer erklären«, so Giegold damals. Wer die EU-Kommission führen will, dürfe sich »bei Verletzung von Europas Grundwerten im eigenen Land nicht wegducken«. Europas Bürger dürften einen Kandidaten erwarten, »der den Mut hat, sich klar vom populistischen Politikstil Robert Ficos zu distanzieren«. Doch auch anderswo spielen Sozialdemokraten auf der Klaviatur der Rechten: So hatte im Februar dieses Jahres Mette Frederiksen, Chefin der dänischen Sozialdemokraten, die sich Hoffnungen auf eine Regierungsübernahme 2019 machen können, die komplette Abschaffung des Asylrechts auf dänischem Boden gefordert.

Dass Timmermans als Spitzenkandidat oder auch Šefčovič als Leiter der Programmfindungskommission für die europäischen Sozialdemokraten die kommenden Monate nutzen werden, um in solchen Grundfragen Klärung herbeizuführen, ist nicht anzunehmen. Ohnehin stünde Timmermans für ein »Weiter-so« - ebenso wie Weber von der EVP, kritisiert Martin Schirdewan, Europaabgeordneter der Linksfraktion, gegenüber »nd«: »Weder Weber noch Timmermans stehen für einen europäischen Aufbruch.« Beide seien mit der »zerstörerischen Spar- und Kürzungspolitik eng verbunden und wollen die Militärunion weiter vorantreiben«, so Schirdewan. Sowohl Weber als auch Timmermans verhießen »Stagnation und eine bleierne ideenlose Zeit«.

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