Gute Opposition ist auch was wert

Nach neun Jahren Rot-Rot sind manche Genossen nicht darauf erpicht, weiter mitzuregieren

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Steht die Nominierung von Kandidaten für die Landtagswahl an, entsteht in den Parteien Unruhe. Schließlich geht es um die berufliche Zukunft der Politiker und ihrer Mitarbeiter. Bewerber bringen sich in Stellung und ringen mit Konkurrenten. Das läuft im Moment. Die LINKE wird es Ende Januar hinter sich haben, wenn alle Direktkandidaten in den 44 Wahlkreisen nominiert sind und zum Schluss die Landesliste für die Wahl am 1. September 2019 aufgestellt ist.

Dann würde wieder Ruhe einkehren. Vereint würde man sich in den Wahlkampf stürzen. Aber diesmal ist es anders. Diesmal kommen zu dem Hickhack um Posten und Positionen noch andere Auseinandersetzungen. Es gibt Unzufriedenheit. Sie äußert sich in einem Grummeln an der Basis, die sich in der Regel für Personalfragen wenig interessiert. Ob das richtig sei und noch lange so weitergehen könne, was »die da oben« in Potsdam und Berlin machen, wird hier und da gefragt. Der Gedanke, dass Justizminister Stefan Ludwig (LINKE) auch dafür ein bisschen büßen musste, als er am Wochenende bei der Nominierung des Direktkandidaten für den Wahlkreis 27 eine Abstimmungsniederlage gegen die Autorin Astrid Böger erlitt, ist zumindest nicht völlig abwegig - auch wenn vor Ort noch ganz andere Erklärungen gefunden werden können.

Nachdem die LINKE bei der Landtagswahl 2014 von 27,2 auf 18,6 Prozent abgestürzt war, befand sich die Lust zu einer Fortsetzung der rot-roten Koalition erst einmal auf einem Tiefpunkt. Dennoch bestätigte die Basis dann in einer Mitgliederbefragung mit sehr großer Mehrheit den mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag. Der Vertrag klang ja auch vielversprechender als die alte Koalitionsvereinbarung von 2009.

Nun, weniger als zehn Monate vor der nächsten Landtagswahl, kommt keine Begeisterung auf bei der Vorstellung, die LINKE müsse vielleicht noch einmal fünf Jahre mitregieren - im besten Falle in einer rot-rot-grünen Koalition, im schlimmsten Falle zusammen mit SPD und CDU, weil anders eine Landesregierung ohne die AfD nicht zu bilden sein könnte. Bis Ende 2007 hatte der Landesverband mit dem umfänglichen Leitbild »Unsre Heimat« eine soziale und solidarische Vision für die Zukunft des Bundeslandes entworfen.

Danach ist strategisch nichts auch nur annährend Vergleichbares mehr gekommen. Zukunftsdialoge zur Entwicklung des Wahlprogramms waren zuletzt nur mäßig besucht, ebenso ein Basistag in Potsdam. Im Bürgerhaus am Schlaatz sollten Genossen den Satz vervollständigen: »Die LINKE ist für mich ...« Die Antworten ergaben am Ende ein verheerendes Bild. Denn gesammelt an einer Tafel stand dort beispielsweise »... punktuell leider unglaubwürdig«, »... redet zu oft dran vorbei«, »... erreicht die Menschen kaum« und »... ist eine Partei ohne Biss«.

Manche Genossen wie der Ex-Landesvorständler Sven Kindervater beschränkten sich zuletzt enttäuscht auf die Kommunalpolitik. Kindervater war Linksfraktionschef in Neuenhagen bei Berlin, schmiss dann aber kürzlich hin und trat von allen seinen Funktionen zurück.

Zu alldem kommt noch der innerparteiliche Zwist um Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung aufstehen. Zwar war es der ostbrandenburgische Bundestagsabgeordnete Thomas Nord, der mit seiner Ankündigung für Schlagzeilen sorgte, er wolle sich bis Januar überlegen, ob er wegen Wagenknechts Verhalten aus der Linksfraktion austritt. Doch wenn es um die Schwierigkeiten geht, in denen der Landesverband Brandenburg steckt, so ist dies nicht das beherrschende Thema, allerdings eine weitere Facette.

Drei der 17 Kreisverbände »wollen aufstehen«, heißt es. Genannt werden da Potsdam-Mittelmark und Brandenburg/Havel. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzuschauen. In Brandenburg/Havel wurde der Kreisvorsitzende Andreas Kutsche für den Landtag nominiert. Der 41-jährige Krankenpfleger ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im städtischen Klinikum. Er hat sich in die E-Mail-Liste von aufstehen eingetragen, sagt allerdings: »Ich beobachte das noch.«

Grundsätzlich sei ihm die Idee einer außerparlamentarischen Sammlungsbewegung sympathisch, verrät er. »Man verändert das Land durch Druck auf der Straße und nicht unbedingt im Parlament.« Trotzdem kandidiert Kutsche für den Landtag. Dabei sieht er sich aus prinzipiellen Erwägungen »eher als Kritiker einer Regierungsbeteiligung«. Dies gar nicht einmal, weil er denken würde, dass die LINKE so viel falsch gemacht habe. Das glaubt er nicht. Er bedauert aber: »Wir verteilen nur, was es zu verteilen gibt, und es gibt nicht viel zu verteilen. Das ist den Leuten zu wenig, und mir ist es auch zu wenig.« Eine gute Opposition sei auch etwas wert.

Was Sahra Wagenknecht zu offenen Grenzen und Asyl sagt, sieht Kutsche nicht so kritisch wie Wagenknechts Gegner. Andererseits gefällt ihm nicht so gut, wie die Bundestagsfraktionschefin agiert. »Sahra Wagenknecht müsste mehr auf die anderen zugehen«, findet Kutsche. »Alle müssten mehr aufeinander zugehen.« Da meint er auch die Bundesvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger. Immerhin drohe andernfalls eine Spaltung der Partei.

Derweil nominieren die Sozialisten weiter Direktkandidaten, so zuletzt die Gleichstellungsbeauftragte Monika von der Lippe im Wahlkreis 28, und im Wahlkreis 25 Carsten Preuß, den Landeschef des Bundes für Umwelt und Naturschutz. Seite 9

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