- Der Heppenheimer Hiob
- Friedrich Merz
Das Musterexemplar des konservativen Niedergangs
Friedrich Merz mag wertkonservativ sein - aber das ist heute keine politische Qualität mehr
Der potenzielle CDU-Vorsitzende, der vom BlackRock heruntersteigt, um seine Partei und unser Land zu retten, reiht sich ein in die Galerie des deutschen Konservatismus: So fragte das »Manager-Magazin« neulich, ob »der Konservative, die richtige Wahl für die CDU« sei. Im »Deutschlandfunk« nannte man ihn einen »konservativen Hoffnungsträger«, der »Stern« hieß ihn hingegen einen »konservativen Manager« und in der »Badischen Zeitung« gilt er als »Mann fürs Konservative«. Für die »FAZ« ist er »konservativ, marktwirtschaftlich, höflich« und »Spiegel Online« behauptet indes, dass dieser »Konservative unter den gehandelten Kandidaten am besten« abschneide.
Zusammengefasst scheint also eine Sache ziemlich eindeutig zu sein: Dieser Herr Merz, er ist ein Konservativer. Dabei ging es diesem Mann nur selten um die buchstäbliche Beibehaltung, die im Wort konservativ steckt. Das kommt bekanntlich aus dem Lateinischen, vom Verb conservare, welches sich mit »bewahren« oder »erhalten« übersetzen ließe. Wenn man sich nun aber an diesen Friedrich Merz erinnert, wie er damals, als er noch ein politisches Pfund in der Union war, die Debatten anheizte, fällt doch auf, dass es mit dem Erhalt nicht weit her war. Abschaffen wollte er: Angemessene Arbeitslosengelder, die soziale Absicherung und zu schlechter Letzt den Sozialstaat. Ja, selbst Hartz IV wollte er nicht beibehalten: Die Reform war ihm zu soft, er wollte noch schärfere Einschnitte.
Dass die Deutschen ein Volk von Aktienbesitzern werden sollen, hat er neulich erst wieder auf einer Pressekonferenz erbeten. Andere Länder seien da wesentlich weiter. Konservativ dem Wortsinn nach ist Merzens Blick auf die Wirtschaft und deren gesellschaftlichen Folgen ganz klar nicht. Ganz im Gegenteil, er will ja verändern, reformieren, ja fortschreiten. Wobei man sich schon fragen darf, ob das Wort Fortschritt angemessen ist. Denn progressiv sind seine Ansichten zu Sozial- und Arbeitsmarkt ja wohl nicht. Er ist ein Regressiver – ein ideologisch bedingter Bilderstürmer, der vielleicht hie und da privat einige wertkonservative Vorstellungen hegt und pflegt, aber ganz sicher nicht als Strukturkonservativer durchgeht.
Wertkonservativ zu sein ist aber doch heute keine politische Qualität mehr. Grüne sind das mittlerweile auch. Selbst unter Linken finden sich Leute, die privat so vorbildlich leben, wie es sich Konservative für sich und ihre Umwelt wünschen. Über privat gelebte Werte und Ideale lässt sich doch heute niemand mehr eindeutig politisch verorten.
Die alten Konservativen hatten ja, bei aller Kritik ihrer Frömmelei und Obrigkeitsgläubigkeit, noch einen gewissen Gemeinsinn. Leute wie Norbert Blüm beispielsweise hätten in der heutigen Union wohl keine Chance mehr. Der Arbeitnehmerflügel der Partei ist erlahmt. Zum Konservatismus der alten Schule gehörte es nun mal, dass man Rücksicht auf alle nimmt, die in einer Gesellschaft leben. Das geschah zwar manchmal paternalistisch, manchmal war das Gepränge auch christlich unterfüttert – aber die Haltung des Liberalismus, die oft nicht mehr ist als Ignoranz und »Hilf-dir-selbst«-Attitüde, entsprach dem konservativen Verständnis von Gemeinsinn absolut nicht.
Friedrich Merz ist das Gegenteil eines umsichtigen Konservativen. Diese Einstellung zur Gesellschaft will er in seiner »konservativen Revolution« nicht wiederbeleben. Er ist ein glasklarer Liberaler, der Strukturreformen anstrebt und das Land umkrempeln will. Ob ihm da irgendwas heilig ist, darf man bezweifeln. Wie viele in seiner Partei, tickt er nicht klassisch konservativ, sondern gibt den Konservenliberalen.
Die wahren Konservativen der letzten Jahre, man glaubt es kaum, waren übrigens die eher links denkenden Menschen im Land. Solche, die sich gegen die Agenda 2010 stellten, die ein Problem mit marktkonformer Demokratie und der Übernahme aller Lebensbereiche durch eben diesen Markt haben. Sie wollten den Sozialstaat bewahren, staatliche Umverteilungsstrategien des Wohlstandes erhalten. Wäre es nach ihnen gegangen, hätten sie die Errungenschaft der sozialen Absicherung konserviert.
Unsere heutigen Konservativen hingegen sind doch alles Liberale – das ist das Problem. Und Merz ist bloß ein Musterexemplar des konservativen Niedergangs.
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