Tage der Entscheidung für May

Großbritanniens Premierministerin ringt um Zustimmung zum Brexit-Kompromiss

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Rebellion der EU-Gegner ließ nicht lange auf sich warten: »Das ist der Moment der Wahrheit«, twitterte der ehemalige Brexit-Minister David Davis am Dienstagabend; »das Kabinett und alle konservativen Abgeordneten sollten ihre Stimme erheben und diese Kapitulation ablehnen.« Gemeint war der Brexit-Vertrag, auf den sich die britische Regierung und die EU kurz zuvor geeinigt hatten. Für Theresa May war es der große Durchbruch: Endlich, nach monatelangen, zähen Verhandlungen hatten die beiden Seiten einen Kompromiss gefunden, den die britische Regierung nun zu Hause präsentieren kann.

Für May sind die Probleme jedoch nicht vom Tisch. Die EU-Gegner sind empört. Sie befürchten - nicht ohne Grund -, dass Großbritannien einen guten Teil der Kontrolle an Brüssel abgibt. Vor allem geht es um die Notlösung bei der irisch-nordirischen Grenze: Großbritannien hat vorgeschlagen, dass das ganze Land nach der Übergangsphase Ende 2020 in der Zollunion mit der EU verbleibt, falls bis dahin keine Einigung erzielt worden ist, die eine harte Grenze vermeidet. Nun scheinen sich beide Seiten darauf geeinigt zu haben, dass die EU auf jeden Fall ihre Zustimmung geben muss, bevor Großbritannien diesen sogenannten »Backstop« beenden kann.

Für die Brexit-Anhänger ist dies eine Horrorvorstellung: Die Briten könnten auf unbestimmte Zeit in einer Zollunion »gefangen« sein und müssten Gesetze akzeptieren, die in Brüssel gemacht werden. Die Regierung habe die weiße Flagge gehisst, sagte der konservative Brexit-Fan Jacob Rees-Mogg gegenüber der BBC, und er könne einem solchen Deal unmöglich zustimmen. Er und mehrere seiner EU-skeptischen Kollegen forderten die Kabinettsmitglieder auf, Mays Plan abzulehnen. Um dies zu verhindern, lud die Premierministerin ihre Minister einzeln in ihren Amtssitz ein, um ihnen die Details des Vertragsentwurfs zu erklären und ihre Unterstützung zu gewinnen. Möglich, dass May ihr Kabinett auf ihre Seite ziehen kann und der Deal am EU-Sondergipfel am 25. November endgültig abgesegnet wird.

Doch die Zustimmung des Kabinetts und der EU ist nur eine Hürde: Die große Prüfung kommt voraussichtlich im Dezember, wenn das Parlament über die Brexit-Vorlage abstimmen wird. Angesichts des Aufstands der harten Brexit-Anhänger ist es schwer zu sehen, wie die Regierung ein Votum gewinnen kann. Geschätzt wird, dass rund 40 konservative MPs gegen den Deal stimmen werden. Aufgrund der knappen Regierungsmehrheit ist May jedoch auf jede Stimme angewiesen.

Auch ihre Partner von der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) haben Vorbehalte angekündigt: »Wir wollen, dass der Brexit umgesetzt wird, aber dies ist nicht der richtige Brexit«, sagte der DUP-Abgeordnete Jeffrey Donaldson am Mittwoch; er gebe dem Land nicht die Freiheit, Handelsverträge mit Drittstaaten abzuschließen - eines der obersten Ziele der Brexit-Anhänger. Zudem bleibe Nordirland in regulatorischer Hinsicht enger mit der EU verbunden als der Rest Großbritanniens, was die Unionisten unter allen Umständen vermeiden wollen.

So müsste May auf die Unterstützung der Opposition zählen können, um die Abstimmung zu gewinnen. Aber auch das scheint kaum möglich. Die Labour-Partei wird dem Brexit-Vertrag nur zustimmen, wenn er ihre »sechs Bedingungen« erfüllt; so muss er beispielsweise den wirtschaftlichen Wohlstand sichern, Arbeitsstandards sowie eine starke Partnerschaft mit der EU garantieren. Mehrere Labour-Abgeordnete haben am Mittwoch unmissverständlich klargemacht, dass sie den Deal diesbezüglich für ungenügend halten.

Was passiert, wenn May die Abstimmung im Dezember verliert? Manche harten Brexit-Anhänger pochen auf einen »No Deal«, also einen Brexit ohne Einigung. Aber eine solche Lösung hat keine Mehrheit im Parlament. Wahrscheinlicher ist es, dass ein Herausforderer May das Amt strittig macht, oder dass Neuwahlen ausgerufen werden.

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