3300 Wörter, zwei Fragen

denkspiel mit Mike Mlynar

  • Mike Mlynar
  • Lesedauer: 2 Min.

Jüngst hat eine große westdeutsche Überregionale einen ihrer ellenlangen Beiträge mit »Die Erfindung des Ostdeutschen« überschrieben. Die Kernthese: Ostdeutsche hätten sich schon zu DDR-Zeiten zweitklassig gefühlt. Dass sie es immer noch tun, sei ihre Sache. Es zum Charakteristikum des Einheitsprozesses zu machen, wäre infam. Der Verfasser: ein in der DDR gelernter Pfarrer, SPD-Wendepolitiker, dann steile Uni-Karriere bis zum Theologiedekan, inzwischen im Ruhestand.

Es lohnt, den Text mehrfach zu lesen, und der Internetauftritt des Blattes bot dazu Gelegenheit. Der Autor gehört nämlich in die erste Reihe subtiler Demagogen deutscher Gegenwartsschreibe. Seine rund 3300 Wörter bastelte er mit Hilfe solcher Sprachfiguren zusammen, die Arthur Schopenhauer einst in seiner »Eristik« analysierte. Sie gilt seither als Sammelbegriff für alle sophistischen Tricks, auf jede Weise recht zu behalten. Das Instrumentarium reicht von Florettfinte bis Lügenholzhammer. Fake News und Verschwörungstheorien sind eben ein ganz alter Hut.

Solche Pamphlete bestehen aus einem fetten Mix aus Verdrehen, Weglassen, Suggerieren der Prämissen und somit falschen Schlüssen. Wo der eristische Pferdefuß steckt, liegt nicht gleich auf der Hand. Deshalb haben wir, um das Enthüllen zu trainieren, unsere heutigen Denkspielaufgaben etwas eristisch angemixt. Wer sie lösen kann, braucht sich über »Die Erfindung des Ostdeutschen« nicht zu ärgern. Er kann sich vielmehr freuen. Weiß er jetzt doch nicht nur, wer sie erfunden hat, sondern auch wie.

Etwas leichter: Meint ein Redner bei einer Versammlung seiner einschlägig bekannten Bewegung: »Immer wieder kann ich mich furchtbar darüber aufregen, dass auf einer Deutschlandkarte im Maßstab 1:1 000 000 von den rund 84 Millionen Deutschen nicht auch folgerichtig 84 Platz haben. Und woran liegt das? Natürlich an den Millionen Ausländern im Land!« - Worin besteht der eristische Kniff dieser merkwürdigen Rechnung?

Etwas schwerer: Die Gleichung 20 = 20 lässt sich zu 4 = 5 hinbiegen: 20 = 20 mit -1 multipliziert: -20 = -20; beide Seiten als Differenz ausgedrückt: 16 - 36 = 25 - 45; auf beiden Seiten 81/4 addieren: 6 - 36 + 81/4 = 25 - 45 + 81/4; gemäß Binomischer Formel (Lehrstoff Klassenstufe 9) vereinfachen zu: (4 - 9/2)² = (5 - 9/2)²; hüben wie drüben Wurzel ziehen: 4 - 9/2 = 5 - 9/2; auf jeder Seite 9/2 addieren: 4 = 5, quod erat demonstrandum! - Wo genau steckt der eristische Haken?

Antworten an spielplatz @nd-online.de oder per Post (Kennwort »Denkspiel«). Einsendeschluss: Montag, 20. August. Absender nicht vergessen, denn wir verlosen zwei Buchpreise separat für die richtigen Antworten auf beide Fragen. Auch Einzeleinsendungen sind möglich.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.