Libyer stürmen Containerschiff

Flüchtlinge wollten aus Angst Schiff nicht verlassen

  • Mirco Keilberth
  • Lesedauer: 3 Min.

Libysche Sicherheitskräfte haben das Containerschiff »Nivin« im Hafen der Küstenstadt Misrata gestürmt. Zehn Tage lang hatten sich auf dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge geweigert, das unter der Flagge von Panama fahrende Schiff zu verlassen. Die 92 Schutzsuchenden fürchteten, in libyscher Haft erneut Opfer von Misshandlungen zu werden. Viele der Eritreer, Sudanesen, Bangladeschis und Äthiopier hatten nach eigenen Angaben bis zu einem Jahr in libyschen Gefängnissen verbracht. Dort hätten sie Folter und Zwangsarbeit erlitten.

Die Einheiten des lnnenministeriums schossen nach Angaben der Hilfsorganisation Roter Halbmond mit Gummigeschossen auf die mit Stangen bewaffneten Flüchtlinge. Zehn verletzte Schutzsuchende wurden in ein Krankenhaus in Misrata gebracht. Die Restlichen wurden wie die eher von Bord gegangenen 29 Minderjährigen in ein Flüchtlingslager gebracht. Der Einsatz dauerte mehr als zwei Stunden, auch weil viele Menschen wegen ihrer schlechten Verfassung von Bord getragen werden mussten. Die Helfer des Roten Halbmonds versorgten mehrere leicht Verletzte.

Nachdem die Verhandlungen mit den Flüchtlingen am Montag gescheitert waren, hatten libysche Spezialeinheiten der »Banyan Marsous«-Brigade im Hafen Stellung bezogen. Botschafter von Bangladesch, dem Sudan, Pakistan und Somalia waren nach einem Treffen mit dem libyschen Innenministerium in den Hafen der 200 000 Einwohnerstadt gefahren, um ihre Landsleute davon zu überzeugen, den libyschen Behörden Folge zu leisten.

»In libyschen Gefängnissen ist Folter und Missbrauch an der Tagesordnung. Unsere Verwandten mussten 1000 Dollar für unsere Freilassung nach Libyen schicken«, sagte Kai aus dem Südsüdsudan gegenüber »nd« vor dem Sturm. »Ich gehe um keinen Preis in der Welt zurück nach Libyen.«

Zur Selbstverteidigung hatten sich einige der Flüchtlinge nach Ankunft des Schiffes im Hafen von Misrata mit Stangen bewaffnet und den Kapitän festgesetzt. »Der Kapitän hatte uns nach der Rettung gesagt, dass wir nach Italien und nicht nach Libyen gebracht würden. Malta war schon in Sichtweite und wir in internationalen Gewässern«, so der 23 jährige. Es ist das erste Mal, dass Flüchtlinge sich weigerten, in Libyen an Land zu gehen.

Paula Barrachia Esteban vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen bekräftigte, dass man versuche, zusammen mit den Behörden eine alternative Unterbringung zu den meist überfüllten Gefängnissen zu finden. Das UNHCR hat von der EU mehrere Millionen Euro erhalten, um von Milizen kontrollierte Gefängnisse zusammen mit dem libyschen Innenministerium zu übernehmen und zu verwalten. Doch selbst dem im Sommer renovierten und direkt neben dem Amtssitz von Premier Al Serraj liegenden »Triq Al Sicca«-Center fehlen die nötigen Genehmigungen, um traumatisierte Opfer und verletzte Schutzsuchende aufzunehmen. Amnesty International rief die Regierungen der EU wie auch von Panama auf, für die Flüchtlinge der »Nivin« eine Lösung zu finden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.