Kölner Adil Demirci muss in türkischer Untersuchungshaft bleiben

Istanbuler Gericht lehnt Freilassung von Sozialarbeiter und Journalist ab

  • Ulrich von Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.

Istanbul. Der wegen Terrorvorwürfen angeklagte Kölner Sozialarbeiter und Journalist Adil Demirci muss in türkischer Untersuchungshaft bleiben. Ein Gericht in Istanbul lehnte zum Abschluss einer mehrstündigen Verhandlung am Dienstagabend einen Antrag auf Freilassung des 32-Jährigen ab.

Der freie Mitarbeiter der linken Nachrichtenagentur Etha hatte zuvor bei dem Prozessauftakt den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zurückgewiesen. Beobachter kritisierten die Entscheidung des Gerichts als »Willkür«.

Demirci und seinen 22 Mitangeklagten wird vorgeworfen, in den Jahren 2013, 2014 und 2015 an Beerdigungen von Mitgliedern der verbotenen linksextremen MLKP und der kurdischen YPG teilgenommen zu haben, die bei Polizeirazzien in Istanbul und im Kampf gegen die IS-Miliz in Syrien getötet worden waren. Sie werden deshalb der Mitgliedschaft in der MLKP verdächtigt.

Demirci bestätigte zwar die Teilnahme an Beerdigungen von Kämpfern gegen die IS-Miliz, bestritt aber eine Mitgliedschaft in einer »Terrororganisation«. Er verwies darauf, dass er in den vergangenen Jahren wiederholt ohne Probleme ein- und ausgereist sei. Erst als er im April zum Urlaub mit seiner krebskranken Mutter nach Istanbul gekommen sei, war er festgenommen worden.

Demircis Anwalt Mustafa Peköz warf der Anklage vor, keine Beweise für ihre Vorwürfe vorgelegt zu haben. »Die Staatsanwaltschaft muss Beweise erbringen, dass mein Mandant als Mitglied in einer verbotenen terroristischen Vereinigung tätig ist«, sagte Peköz. Diese Vorwürfe seien »für unser Land eine Schande« und den Beobachtern aus Deutschland nicht zu erklären.

Mehrere der Angeklagten nutzten ihre Verteidigung für scharfe Kritik an der türkischen Justiz und der Politik der Regierung. Viele von ihnen gaben an, in der legalen sozialistischen Partei ESP aktiv zu sein. Mehrere ihrer Anwälte kritisierten, dass allein die Teilnahme an den Beerdigungen nicht strafbar sei und die Ereignisse zudem mehrere Jahre zurückliegen würden.

Während Demirci in U-Haft bleiben muss, ließ das Gericht sechs andere Angeklagte frei. Bei der Verkündung der Entscheidung brach unter ihren Angehörigen und Freunden vor dem Gericht Jubel aus, andere zeigten sich enttäuscht über den Beschluss. Von den 22 Angeklagten waren zuvor zehn in Haft gewesen. Der nächste Verhandlungstermin wurde für den 14. Februar angesetzt.

»Es war ein sehr überraschendes Ergebnis, wir hatten erwartet, das Adil Demirci entlassen wird, da die Beweislast bei anderen Angeklagten viel stärker war«, sagte sein Anwalt Peköz. Der Kölner Autor und Journalist Günther Wallraff kritisierte, die Entscheidung habe mit Justiz nichts zu tun. »Vermutlich war das Urteil von vornherein festgelegt«, sagte er. Die Anklage habe keine Substanz.

»Man merkte bereits während der Verhandlung, dass der Richter, anders als wir angenommen hatten, auf unsere Delegation feindselig reagierte«, sagte Wallraff. Neben dem bekannten Autor nahmen auch der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich, die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel und der deutsche Generalkonsul Michael Reiffenstuel als Beobachter an dem Verfahren teil.

Jörg Detjen von der Linken-Fraktion im Kölner Stadtrat zeigte sich »erschüttert« über die Entscheidung und sprach von »Willkür«. Es sei »völlig rätselhaft«, warum sechs Angeklagte freikommen und vier nicht. »Die Anklage hat überhaupt nicht Hand und Fuß, ich finde es eher makaber, dass Leute angeklagt werden, weil sie an einer Trauerfeier teilnehmen«, sagte der Linken-Politiker.

In den vergangenen drei Monaten waren in der Türkei drei Deutsche wegen Terrorvorwürfen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden, zuletzt der Gießener Patrick Kraicker und die kurdischstämmige Sängerin Hozan Cane aus Köln. Die Inhaftierung von Deutschen wie Deniz Yücel, Peter Steudtner und Mesale Tolu belastet seit langem die deutsch-türkischen Beziehungen. AFP/nd

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