Hohe Ausgaben, aber wenig Gerechtigkeit

Das Sozialministerium verwaltet den größten Einzelposten im Bundeshaushalt, ohne Armut effektiv zu bekämpfen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Freitagmorgen werden sich im Bundestag alle Augen auf Arbeitsminister Hubertus Heil richten. Der SPD-Politiker wird zum Abschluss der Haushaltswoche im Parlament seinen Etat vorstellen. Dieser ist mit Abstand der größte Einzelposten. Im kommenden Jahr sind in diesem Bereich Ausgaben in Höhe von 145,26 Milliarden Euro geplant. Insgesamt umfasst der Bundeshaushalt 2019, der am Freitag beschlossen wird, die Rekordsumme von 356 Milliarden Euro.

Auf den ersten Blick klingt das nach guten Zahlen für die SPD. Denn sie will in dem Bündnis mit der Union wieder als Partei der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen werden. Doch trotz der steigenden Ausgaben im Bereich Arbeit und Soziales werden regelmäßig Studien veröffentlicht, die belegen, dass es viel Armut gibt. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts sind hierzulande fast 20 Prozent der Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen.

Es lohnt sich also ein Blick auf die Details im Haushalt des Arbeitsministeriums. Heil hat im kommenden Jahr etwa sechs Milliarden Euro mehr zur Verfügung als noch 2018. Ursache hierfür sind vor allem höhere Kosten bei der Rente. Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2025 eine doppelte Haltelinie für Rentenniveau und Beitragssätze einführen. Der Arbeitsminister hatte zudem hervorgehoben, dass die Erwerbsminderungsrente erhöht, Kindererziehungszeiten besser anerkannt und Geringverdiener entlastet werden.

Durch diese Maßnahmen wird die Altersarmut allerdings kaum wirksam bekämpft. So wird durch die Festschreibung des Rentenniveaus auf dem heutigen Stand von 48 Prozent lediglich der »Sinkflug gestoppt«, wie kürzlich der LINKE-Abgeordnete Matthias W. Birkwald erklärte. Seine Partei hält eine Anhebung auf 53 Prozent für notwendig. Das Rentenniveau soll zeigen, wie sich die Rentenzahlungen an Ruheständler im Verhältnis zum Durchschnittsverdienst der Arbeitnehmer entwickeln.

Die Rente ist mit mehr als 100 Milliarden Euro der größte Posten im Haushalt des Arbeitsministeriums. Die Zuschüsse des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung betragen mehr als 35 Milliarden Euro.

Ein Kostenfaktor ist auch die Rente mit 63. Die neue Regelung war im Juli 2014 in Kraft getreten. Nach Angaben des Ministeriums vom Mai dieses Jahres belaufen sich die Kosten für den abschlagsfreien früheren Renteneintritt inzwischen auf 1,3 Milliarden Euro im Monat. Die Sozialdemokraten hatten das Projekt damit begründet, dass es gerecht sei, wenn Menschen in Rente gehen, nachdem sie 45 Jahre Beiträge gezahlt hätten.

Mit der Bekämpfung von Altersarmut hat diese Maßnahme allerdings kaum etwas zu tun. Niedrigverdiener haben unabhängig von ihrem Renteneintrittsalter nur kleine Renten zu erwarten. Es profitieren hauptsächlich Facharbeiter mit auskömmlichen Einkommen.

An den Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme ändert sich kaum etwas. Der Bund stellt, zusätzlich zu den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit, im kommenden Jahr weiterhin etwa 36,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Fast die gesamten Mittel sollen für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ausgegeben werden. Für das Arbeitslosengeld II, also Hartz IV, werden insgesamt 20,2 Milliarden Euro gezahlt. Ende 2017 erhielten rund 5,9 Millionen Menschen Geld aus dieser Leistung.

Allerdings schützt der Staat viele Menschen durch seine Zahlungen nicht vor Armut. Die »Saarbrücker Zeitung« berichtete am Donnerstag, dass Erwerblose immer häufiger davon bedroht sind, in Armut abzurutschen. Vergangenes Jahr galten weit mehr als zwei Drittel aller Erwerbslosen als armutsgefährdet, hieß es unter Berufung auf von der LINKE-Sozialpolitikerin Sabine Zimmermann angeforderte Zahlen des Europäischen Statistikamtes Eurostat. Damit hat sich der Anteil gegenüber dem Jahr 2000 fast verdoppelt. Viele Betroffene müssen mit niedrigen Leistungen auskommen und Sanktionen vom Jobcenter fürchten.

Auch einige Sozialdemokraten haben erkannt, dass diese Politik im Widerspruch zu ihrem angeblichen Markenkern der sozialen Gerechtigkeit steht. Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles hatte kürzlich wolkig ein Ende von Hartz IV angekündigt. Genossen vom konservativen SPD-Flügel wie der frühere Parteichef Sigmar Gabriel und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil haben Nahles mittlerweile widersprochen und das Hartz-IV-System grundsätzlich gelobt.

Dabei können sie auch auf Hubertus Heil zählen. »Für mich bemisst sich die Qualität des Sozialstaats nicht allein an der finanziellen Unterstützung im Notfall, sondern an seiner Fähigkeit, Menschen, wo immer es geht, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen«, sagte der Minister kürzlich der »Bild«-Zeitung. Das bedeutet im Klartext, dass viele Erwerblose nicht mit Leistungen rechnen können, die das Existenzminimum abdecken, solange Politiker wie Heil an den Schalthebeln sitzen.

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