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Stegner in Bedrängnis
Sozialdemokraten streiten über ihre Liste für die Europawahlen
Ralf Stegner hat massiven Ärger vor der eigenen Haustür in Schleswig-Holstein. Es gibt Streit um die von der Bundesparteispitze vorgeschlagene Europawahl-Kandidatenliste, über die eine Delegiertenkonferenz nächsten Monat in Berlin endgültig abstimmen wird. Weil das Delegiertenvotum aus dem Norden auf der Vorschlagsliste für den 9. Dezember von Parteichefin Andrea Nahles und ihrem Gefolge komplett ignoriert wurde, drohen einige Nord-Genossen mit Blick auf die Europawahl bereits mit Boykott.
Als hätten die Sozialdemokraten nicht bereits genügend interne Sorgen, schaffen sie sich nun weitere höchst selbst. Und plötzlich sitzt Schleswig-Holsteins Partei- und Fraktionsvorsitzender Stegner zwischen allen Stühlen. Sein Zoff hat mit den beiden Namen Enrico Kreft und Delara Burkhardt zu tun. Erstgenannter ist Verlagsangestellter, 40 Jahre alt und parteipolitischer Nobody aus dem Kreisverband Lübeck. Die 26-jährige Sozialökonomie-Studentin Burkhardt aus dem Kreisverband Stormarn hat Kreft vom Bekanntheitsgrad bereits einiges voraus. Sie ist nämlich stellvertretende Vorsitzende der Bundes-Jusos. Beim Landesparteitag am 3. November zog sie in Kiel bei der Spitzenkandidatenkür zur Europawahl allerdings überraschend den Kürzeren und unterlag Kreft mit 89 zu 100 Stimmen, obwohl sie die erklärte Favoritin des Landesvorstands war. Beobachter werteten das als klaren Dämpfer für Stegner.
Doch mittlerweile wähnen sich Schleswig-Holsteins Genossen in ohnehin unruhigen Zeiten geradezu im falschen Film. Denn auf der Vorschlagsliste der Bundesspitze für die anstehende Versammlung findet sich Burkhardt auf dem fünften Platz wieder, Kreft hingegen nur auf dem aussichtslosen 32. Platz. Böse Zungen behaupten, dass Stegner bei dieser Entscheidung seine Hände im Spiel hatte, was dieser aber energisch zurückweist.
Nun stellt die Parteibasis zwischen Nord- und Ostsee ihn zur Rede. Der Kreisverband Lübeck erwartet von Stegner, dass er als Zeichen des Missmuts über das Listenvotum von seiner Funktion als stellvertretender Bundesvorsitzender zurücktritt, was der Angesprochene aber ablehnt. Vielmehr verweist er darauf, dass mitgliederstärkere Landesverbände einen größeren und erfolgreicheren Einfluss geltend machen könnten als Schleswig-Holstein. Aus dem Umfeld von Parteichefin Nahles hieß es, man habe mit der Entscheidung pro Burkhardt das Gesicht der Partei jünger und weiblicher machen wollen. Da klang der Hinweis von Stegner, dass Kreft doch auch »nur« 40 Jahre alt sei, doch eher hilflos.
Auch vor dem Hintergrund, dass die SPD in der aktuellen Legislaturperiode 24 Abgeordnete im Europaparlament stellt, will Kreft nun am 9. Dezember nicht kleinbeigeben und sich Kampfkandidaturen stellen, so dass es am Ende vielleicht doch noch zu einem Platz zwischen 16 und 20 reicht. Rückendeckung bekommt er dabei von seinem Kreisverband. Dieser denkt offen darüber nach, seine Mithilfe beim sozialdemokratischen Europawahlkampf zu verweigern. Aus dem Kreisverband Kiel wurden sogar Stimmen laut, die für den Wahltermin am 26. Mai zum Boykott auf dem Stimmzettel aufrufen. Am Dienstag soll es nun erst einmal ein Krisengespräch zwischen Stegner und dem Lübecker Kreisverband geben. Dort hat Stegner aber auch die wohl eher schlechte Nachricht im Gepäck, dass das nördlichste Bundesland am 9. Dezember in Berlin nur mit gerade einmal acht von insgesamt 200 Stimmen vertreten sein wird. Unterdessen wächst der Unmut in der Nord-SPD. Mit Dirk Diedrich ist sogar ein erstes Mitglied aus dem Landesvorstand zurückgetreten.
Ende März stellt Stegner sein Amt als Landesvorsitzender zur Verfügung. Das hatte der 59-Jährige Anfang September mitgeteilt, nachdem kurz zuvor die 43-jährige Serpil Midyatli ihre Bewerbung um den Landesvorsitz bekannt gegeben hatte.
Ärger gibt es wegen der Europaliste der SPD auch in Baden-Württemberg. Evelyne Gebhardt, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, 64 Jahre alt und Wunschkandidatin ihres baden-württembergischen Landesverbands, soll auf dem wohl aussichtslosen Platz 25 kandidieren. Die Parteispitze zog die rund 30 Jahre jüngere Generalsekretärin der Südwest-SPD, Luisa Boos, vor. Offenbar will die SPD-Führung mit einigen jungen Gesichtern in den Wahlkampf ziehen und somit auch die gegenwärtig aufmüpfigen Jusos etwas besänftigen. Kommentar Seite 8
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