Kehrrechnung nach der Demo

Niedersachsens Polizei wollte Geld fürs Saubermachen nach Protestaktion mit 20.000 Menschen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 20.000 Menschen hatten am 8. September in Hannover gegen die umstrittene Erweiterung des Niedersächsischen Polizeigesetzes demonstriert. Gegen mehr Überwachungskameras im öffentlichen Raum, gegen das Einhacken des Staates in private Computer zum Ausspähen von E-Mails, gegen das Wegsperren sogenannter Gefährder bis zu 74 Tagen richtete sich der Protest. Gegen eine Novelle, die nach Überzeugung der Landesdatenschutzbeauftragten Barbara Thiel (CDU) die Freiheitsrechte »bis zur Unkenntlichkeit beschneidet«. Auf Spruchbändern taten die Demonstranten ihren Unmut kund und auch auf Flugblättern. Nicht alle wurden eingesteckt, manche landeten schon mal auf der Straße wie auch hier vielleicht ein Kaffeebecher, dort ein Papiertaschentuch.

Aus streng behördlicher Sicht offenbar eine Verunreinigung, die im Sinne der blitzblanken Landeshauptstadt korrekt beseitigt werden muss. Und so geschah es auch nach jener September-Demo, sogar eine Kehrmaschine rollte an. Das kostet Geld. Aber wer bezahlt den Saubermanneinsatz? Für die Polizei scheinbar leicht zu beantworten: der Verursacher. Aber da es auch den findigsten Polizisten unmöglich ist, einen jeden Flugblatt-Wegwerfer zu ermitteln, wurde ruckzuck der »Versammlungsleiter« in Regress genommen: Die Polizei schickte ihm für Reinigungskosten eine Rechnung über 491 Euro.

Ein Betrag, der nicht allzu drückend erscheint. Doch für den Politologiestudenten Timon Dzienus, er war seinerzeit Versammlungsleiter, kein Pappenstiel, sondern die Hälfte des Geldes, das er monatlich zur Verfügung hat. Aber mehr als die Höhe der Forderung ärgert den 22-Jährigen, der bei der Grünen Jugend als Sprecher fungiert, das Prinzip einer solchen Rechnung als Folge von Bürgerprotest. »Wer organisiert denn in Zukunft noch Demos, wenn er hinterher dafür bezahlen muss?«, fragte Dzienus im Gespräch mit dem NDR.

Die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit werde mit solch einer Rechnung an eine Geldzahlung gebunden, gibt der Student zu bedenken. Die Geldforderung, so vermutet er, solle »abschreckende Wirkung« für künftige Demos haben. Durch ein solches Vorgehen seitens der Polizei würden vor allem junge Menschen davon abgehalten, sich politisch zu engagieren, meint Dzienus.

Für nicht wenige politisch Engagierte mag die Sache einen unangenehmen Beigeschmack haben: Die Polizei, der das neue Gesetz mehr Rechte als bisher einräumen soll, stellt ausgerechnet nach einer Demo gegen dieses Gesetz eine Rechnung fürs Kehren aus. Doch nun gab es für Timon Dzienus eine Überraschung. Die Polizeidirektion Hannover schrieb ihm: Bei der Weiterleitung der Rechnung sei es zu »Formfehlern« gekommen. Aus diesem Grund werde auf die 491 Euro verzichtet. Zugleich aber unterstreichen die Ordnungshüter, grundsätzlich seien sie berechtigt, den Leitern einer Demonstration die in deren Folge notwendige Reinigung zu berechnen.

Timon Dzienus empfindet eine derartige Forderung als Schikane; und damit eine solche nicht Schule macht in Hannover und aktive Menschen vom Engagement als Demo-Verantwortliche abhält, möge die Landesregierung in dieser Sache Rechtssicherheit schaffen, appelliert der Aktivist. Den Protest wird das Drohen mit einer Rechnung wohl kaum bremsen: Am Samstag, dem 8. Dezember, beginnt um 13 Uhr auf dem Opernplatz in Hannover eine weitere Demonstration gegen das Polizeigesetz.

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