»Fortführung der Vertuschung«

Generalstaatsanwaltschaft will Verfahren im Fall Oury Jalloh nicht wieder aufnehmen

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

April 2017. Der Oberstaatsanwalt Volker Bittmann geht von einem Mord im Fall des 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh aus. Er leitet ein Verfahren gegen namentlich bekannte Polizisten ein. Diese hätten, so seine These, mit einer nachträglichen Verbrennung mittels Brandbeschleuniger Misshandlungen am Körper von Jalloh vertuschen wollen. Jürgen Konrad von der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg entscheidet, den Fall an die Staatsanwaltschaft Halle abzugeben. Dort wird er eingestellt.

November 2017. Generalstaatsanwalt Konrad soll den Rechtsausschuss des sachsen-anhaltinischen Landtages über den Fall Jalloh informieren. Die Linkspartei beklagt einige Tage später, dass die Aufklärung »unzureichend und in Teilen falsch« gewesen sei. Der Generalstaatsanwalt habe nicht mitgeteilt, dass die Experten den Einsatz von Brandbeschleuniger für wahrscheinlich hielten, dass sie es ebenso für wahrscheinlich hielten, dass das Feuer von Dritten gelegt wurde und dass Staatsanwalt Bittmann es für möglich hielt, dass es sich um eine Vertuschungstat handeln könnte. »Der Generalstaatsanwalt ist deshalb leider keine Instanz, in die die Hoffnung auf Aufklärung gesetzt werden kann«, heißt es in einer Pressemitteilung.

29. November 2018. Generalstaatsanwalt Konrad teilt am Donnerstag in Naumburg mit, dass die Beschwerde von Hinterbliebenen Jallohs gegen die Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft Halle als unbegründet abgewiesen wird. Das Ermittlungsverfahren zum Fall bleibe somit eingestellt. »Ein Tatverdacht gegen benannte oder unbenannte Polizeibeamte des Polizeireviers Dessau oder gegen sonstige Dritte besteht nicht«, so der Generalstaatsanwalt. Es hätten sich »keine beweisbaren Anhaltspunkte ergeben, die eine Entzündung der Matratze durch Jalloh ausschließen können und eine Entzündung durch Polizeibeamte oder durch Dritte belegen«.

Jalloh sei »an den Folgen eines Hitzeschocks verstorben, den er, zumindest nicht widerlegbar, selbst herbeigeführt hat«. Bei der These »Oury Jalloh, das war Mord« handele es sich um eine »rein spekulative Mutmaßung«. Die Unterstellung eines »institutionellen Rassismus« sei aus der Luft gegriffen, heißt es weiter. »Irgendgeartete Hinweise darauf, Jalloh könnte aus rassistischen Gründen getötet worden sein, liegen evident nicht vor.«

Mit der Bestätigung der Einstellung des Verfahrens durch die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg schwindet nach fast 14 Jahren die Chance auf eine juristische Aufklärung des Todes des Asylbewerbers aus Sierra Leone. Die Hinterbliebenen von Jalloh könnten theoretisch noch eine Klageerzwingung am Oberlandesgericht Naumburg versuchen. Dieses Gericht müsste dann prüfen, ob das Abweisen der Beschwerde durch den Generalstaatsanwalt begründet und rechtmäßig war. Alternativ könnte auch der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernehmen. Karlsruhe hatte diese Möglichkeit jedoch bereits zuvor mehrfach aus inhaltlichen und formellen Gründen abgelehnt.

Bei Aktivisten und Politikern stieß die Ankündigung der Einstellung auf Unverständnis. »Das Verfahren so zu beenden, ist ein Skandal und ein Hohn für die Angehörigen«, sagte Nadine Saeed von der »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh« gegenüber »nd«. »Für uns gibt es keinen Abschluss, wir waren auf solch eine Fortführung der Vertuschung vorbereitet«, führte die Aktivistin aus. Seit Jahren kämpft die Initiative für Aufklärung, 2013 hatte sie ein eigenes Brandgutachten präsentiert.

Im Oktober stellte sie eine internationale und unabhängige Untersuchungskommission vor, die nun im Fall Jalloh wie auch in den Fällen Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann ermitteln soll. Beide waren ebenfalls im Zusammenhang mit besagter Dessauer Polizeistelle in den Jahren 1997 und 2002 ums Leben gekommen. »Staatlich unabhängige Ermittlungen sind notwendig, irgendwann müssen die Behörden darauf reagieren«, sagte Saeed. Die Anwälte der Initiative wollen gegen die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft vorgehen.

Auch Henriette Quade, Landtagsabgeordnete der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, zeigte sich verwundert. »Die Einstellung ist schwer nachvollziehbar«, sagte die Politikerin zu »nd«. Es stelle sich erneut die Frage, ob Generalstaatsanwalt Konrad die richtige Instanz für diese Entscheidung sei. Konrad habe bereits bei der Anhörung im Rechtsausschuss die Anfangsverdachtsmomente gegen die Polizei unter den Tisch fallen lassen. »Dass es in der aktuellen Begründung für die Einstellung diese Anfangsverdachtsmomente gar nicht mehr gibt, wirft Fragen auf«, so Quade. Nach Ansicht der Abgeordneten ist eindeutig der Generalbundesanwalt zuständig. »Dass dieser die Verantwortung wegschiebt, wird der politischen Dimension des Falls nicht gerecht.«

Nach dem Ende des offiziellen Verfahrens können nun die zwei Sonderermittler ihre Arbeit aufnehmen Die Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und Grünen hatten im April den Rechtsanwalt Jerzy Montag und den früheren Münchner Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel beauftragt, die Akten im Fall Jalloh zu bewerten. Diese hatten angekündigt, ihre Arbeit erst aufzunehmen, wenn die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren abgeschlossen hat.

Die Linkspartei fordert unterdessen weiter einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um die Behinderungen im Oury-Jalloh-Komplex auch politisch aufzuarbeiten. Dafür fanden sich jedoch bisher keine Mehrheiten im Landtag. Quade stellte klar: »Die Arbeit der unabhängigen Expertenkommission bleibt unerlässlich.«

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