• Berlin
  • Charité und Vivantes

Rot-Rot-Grün sperrt Geld für Krankenhäuser

Mittel aus Nachtragshaushalt werden nur freigegeben, wenn Charité und Vivantes Bedingungen erfüllen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Neue Streiks sind in Planung. Anfang nächster Woche wollen die Angestellten der Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum GmbH (CPPZ) nach nd-Informationen erneut in den Ausstand treten. Die Physiotherapeuten und Masseure der Charité-Tochter kämpfen derzeit für die Erhöhung ihrer Löhne auf das Niveau des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TVöD). Wie die letzte Verhandlungsrunde nach Gewerkschaftsangaben gezeigt hat, sieht die Charité aber nicht den nötigen finanziellen Spielraum, die Angleichung vorzunehmen.

In die laufende Tarifauseinandersetzung mit der CPPZ an der Charité platzt unterdessen die Nachricht, dass Rot-Rot-Grün zusätzliche Haushaltsmittel für die Krankenhäuser sperren will. Im Nachtragshaushalt 2018/2019, der am kommenden Donnerstag im Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll, sind zusätzliche Mittel für Charité und Vivantes enthalten. Das Universitätsklinikum etwa soll 2019 noch einmal zehn Millionen Euro zusätzlich bekommen, Vivantes kann ebenfalls mit Extramitteln rechnen. Nach dem Entwurf des Finanzsenators Matthias Kollatz (SPD) soll die Eigenkapitalbasis des landeseigenen Unternehmens um 164 Millionen Euro erhöht werden. Mit dem Geld soll unter anderem der Sanierungs- und Instandhaltungsstau im Vivantes-Klinikum Neukölln abgebaut werden.

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Neu ist die Ankündigung des Mitte-links-Bündnisses, die Mittel zum Teil zu sperren und den Abfluss zu strecken. »Wir erwarten, dass die Charité die CPPZ, die Physiotherapeuten und Masseure komplett zurücknimmt«, sagte der SPD-Fraktionschef Raed Saleh jüngst bei der Vorstellung der Koalitionspläne für den Nachtragshaushalt. »Der Zustand von Töchtern mit unterschiedlichen Tarifbindungen ist für Rot-Rot-Grün am Ende keine Frage der Finanzierung, sondern eine Frage der Menschlichkeit«, sagte Saleh. Es gehe um Fairness und Gleichbehandlung. Bereits im Koalitionsvertrag hatte Rot-Rot-Grün nichts weniger als eine »Trendwende« in der Krankenhausfinanzierung versprochen. Saleh bezog bei seiner Forderung auch Vivantes ein, das Unternehmen soll als Mutterkonzern ebenfalls beginnen, Rückführungen von Töchtern vorzubereiten.

Mit diesem öffentlichen Vorstoß, die Mittelvergabe an Bedingungen zu knüpfen, überraschte der SPD-Politiker offenbar auch seine Koalitionspartner. Zwar will auch die LINKE über die Bereitstellung zusätzlicher Investitionsmittel die Bedingungen in den Gesundheitseinrichtungen der Charité und Vivantes verbessern, aber daran würde man nicht öffentlich Bedingungen knüpfen. Gleichwohl gibt es Erwartungen: »Wir wollen starke Landesunternehmen, erwarten von ihnen, wie im öffentlichen Dienst auch, dass sie für nichtprekäre Arbeitsbedingungen sorgen«, sagt die Fraktionschefin der LINKEN, Carola Bluhm. Berlin gebe gutes Geld, man fordere aber auch »gute Arbeit« ein.

Die Debatte um Wiedereingliederungen und die Krankenhausfinanzierung verfolgt unterdessen auch die Gewerkschaft ver.di ganz genau. »Wenn die Töchter tatsächlich zurückgeführt werden, dann wäre der Streik bei der CPPZ gegenstandslos, weil die Tarifflucht beendet wäre«, sagt ver.di-Verhandlungsführer für die Charité-Tochter, Kalle Kunkel, dem »nd«.

Die Gewerkschaft unterstützt seit Langem die Forderung nach Wiedereingliederung der Tochterfirmen. Nur dafür streiken darf eine Gewerkschaft nicht, der Arbeitskampf ist auf tarifliche Aspekte beschränkt. Eine Angleichung an den TVöD würde aber eine solche Eingliederung erübrigen. Ver.di setzt zudem auf den Aufsichtsrat der Klinik-Unternehmen, in denen SPD-Politiker wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz sitzen.

Auf Nachfrage wollte Vivantes die Haushaltsdebatte nicht kommentieren. Auch der Charité-Vorstand gab dazu keine Stellungnahme ab.

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