Mehr Rubel aus dem Ölhahn

Russland bessert über Rohstoffpreise Finanzen auf / Wirtschaft braucht Arbeitsproduktivität und Modernisierung

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit einer Bestätigung des Rubelkurses wartete zu Wochenbeginn die Moskauer Börse auf. Dieser war als unmittelbare Reaktion auf die Entscheidung der OPEC+ über eine Kürzung der Förderung ebenso wie der Ölpreis am Freitag gestiegen. Obwohl Russland der Organisation erdölexportierender Länder nicht als Mitglied angehört, sondern mit zehn weiteren Staaten als »+« geführt wird, galt seine Entscheidung als wegweisend. Brav wartete das Kartell am Freitag auf die Rückkehr des russischen Energieministers Alexander Nowak zur abschließenden Beratung in Wien. Erst nach dessen Konsultation mit Präsident Wladimir Putin war für die kommenden sechs Monate alles klar mit der Kürzung auf eine Tagesförderung von 1,2 Millionen Barrel (à 159 Liter). Bereits am Abend der Entscheidung war der Ölpreis auf rund 63 US-Dollar gestiegen.

Optimal seien für Russland laut seinen Haushältern bereits 60 Dollar pro Barrel, im Budget sind 40 Dollar eingepreist. Minister Nowak lobte den aktuellen Preis als »den günstigsten vom Standpunkt des Budgets und der Balance des Binnenmarktes«. Er werde höhere Exporterlöse und größere Einnahmen im Staatshaushalt zur Folge haben. Die Kürzung betrage für Russland rund zwei Prozent gegenüber dem Oktober, dafür würden die verbleibenden 98 Prozent zu höheren Preisen auf dem Weltmarkt verkauft. Moskau blieb zwar unter den Forderungen der OPEC nach einer Förderkürzung um bis zu 300 000 Barrel, ist nun aber mit immerhin 130 000 Barrel täglich beteiligt und kann seine Einnahmen in einem kontrollierten Korridor halten.

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»Die Welt will keine höheren Ölpreise sehen und braucht sie nicht«, hatte US-Präsident Donald Trump zuvor getwittert. Süffisant wies ihn Minister Nowak zurecht: Entscheidungen zur Rohölförderung basierten auf den Marktbedingungen und nicht auf Twitter-Nachrichten. Genugtuung dürfte dem Kreml auch bereiten, dass Russland im Gegensatz zu den USA mit China nun den lange angestrebten Überschuss von rund 10 Milliarden Dollar in der 100 Milliarden Dollar betragenden Handelsbilanz erreichte. Dies »ausschließlich dank der großen Menge und der gestiegenen Preise für Gas, Öl und Erdölprodukte«, wie der Analyst Alexej Antonow in der »Nesawissimaja Gaseta« vorrechnete. Hochtechnologie werde »so gut wie nicht« nach China exportiert. »Unser Land verwandelt sich immer mehr in ein Rohstofflager Chinas«, klagte Antonow.

Weil die Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor laut Experten den russischen Staatshaushalt zu rund 40 Prozent sichern, sehen einige auch die mit der Begrenzung der Fördermenge angestrebte Preisanhebung kritisch. So klagt der Chef des Rechnungshofes, Ex-Finanzminister Alexej Kudrin, damit werde das Wirtschaftswachstum gebremst. »Geschwächt werden die Stimuli in der Wirtschafts- und Budgetpolitik.« Der wirkliche Preis sei eine Schwächung der Bereitschaft zur Steigerung der Arbeitsproduktivität in der Erdölförderung sowie bei Verkauf und Weiterverarbeitung.

Gerade die Arbeitsproduktivität soll nach den strategischen Festlegungen des Präsidenten vom Mai in mittleren und großen Industrieunternehmen um nicht weniger als fünf Prozent jährlich steigen. Doch diese Orientierung Putins stufen Ökonomen zu einem frommen Wunsch herab. Mehr als die Hälfte der Ausrüstungen sei »hoffnungslos veraltet«, gibt die »Nesawissimaja Gaseta« deren Klage wieder. Auch die Steigerung der Zahl der Beschäftigten werde nicht zur Intensivierung der Arbeit beitragen. Die geringe Arbeitsproduktivität sei keine Frage der fehlenden Qualifikation der Beschäftigten, betont Georgi Ostapowitsch von der Hochschule für Ökonomie, sondern der mangelhaften Ausrüstung. Hochtechnologische Ausrüstungen müssten fast komplett importiert werden - »ein Hindernis für die Modernisierung«.

Für das kommende Jahr gab Premier Dmitrij Medwedew kurz vor Jahresende trotzig als Losung aus: »Man muss immer auf sich selbst zählen.« Mit Blick auf die Fortsetzung eines Wirtschaftswachstums um die zwei Prozent und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 18 auf 20 Prozent im Jahr 2019 versicherte ein gut aufgelegter Regierungschef in einem von gleich vier TV-Kanälen direkt übertragenen Gespräch mit Journalisten: Geld für die Erfüllung des Sozialprogramms sei da. Der Staatshaushalt verzeichne erstmals seit Jahren einen »bedeutenden« Überschuss. Trotz Sanktionen, Preisschwankungen, einer ungewissen Entwicklung auf dem Ölmarkt und des Handelskrieges stehe die Wirtschaft auf festen Beinen. Die Landwirtschaft versorge das ganze Land, und Getreide werde sogar exportiert. »Alles ist nicht schlecht, aber es muss noch besser werden.«

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