- Politik
- Rechtes Netzwerk bei der Polizei
»Wohl nur die Spitze des Eisbergs«
Gibt es ein extrem rechtes Netzwerk unter Polizisten in Frankfurt am Main? Politiker fordern Aufklärung
Die Ermittlungen im Fall des mutmaßlich extrem rechten Netzwerks innerhalb der Frankfurter Polizei sind ausgeweitet worden. Laut Medienberichten soll die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen weitere Polizeibeamte eingeleitet haben. Zusätzliche Handys sollen beschlagnahmt worden sein. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt Hessen haben bereits zuvor Ermittlungen gegen fünf Beamte aufgenommen, die sich über einen Messenger-Dienst Hakenkreuze, Hitlerbilder und rassistische Parolen zugeschickt haben sollen. Alle Polizisten wurden vom Dienst suspendiert. Einer der Beamten war offenbar in einer weiteren extrem rechten Chatgruppe aktiv.
Die Ermittlungen gegen die Beamten wurden durch einen Drohbrief ausgelöst, den die Anwältin Seda Başay-Yıldız Anfang August per Fax erhalten hatte. Die Vertreterin der NSU-Nebenklage wurde als »Türkensau« beschimpft, man drohte unter anderem damit, ihre zweijährige Tochter zu »schlachten«. Unterzeichnet war das Schreiben mit »NSU 2.0«. Eine Beamtin des 1. Reviers in Frankfurt hatte offenbar über ihren Dienstcomputer nach der Meldeadresse von Başay-Yıldız gesucht. Sie soll mit den anderen Polizisten besagte Chatgruppe gegründet haben. Ermittelt wird gegen die Beamten wegen Volksverhetzung, der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie weiteren Tatvorwürfen, die die Staatsanwaltschaft noch nicht nennen will.
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Das hessische Innenministerium wollte sich am Montag gegenüber »nd« nicht zu dem Fall äußern. »Wir haben noch nicht entschieden, ob wir dazu überhaupt etwas sagen wollen«, so ein Sprecher der Behörde. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erklärte gegenüber Medien: »Das ist eine sehr ernste Geschichte. Da muss man sehr sorgfältig drangehen. Und ich gehe davon aus, dass das sehr intensiv und umfassend aufgeklärt wird.« Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende betonte, dass er noch nicht sehen könne, »wie weit das geht«.
Politiker, Anwälte und zivilgesellschaftliche Organisationen zeigten sich angesichts der neuen Enthüllungen derweil besorgt. Justizministerin Katarina Barley (SPD) forderte am Montag eine umfassende Aufklärung. »Der im Raum stehende Verdacht, es könnte hier rechtsradikale Strukturen geben, ist erschreckend«, so die Politikerin. »Rechtsextremes Gedankengut hat keinen Platz in der Polizei.« Die Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag und stellvertretende Parteivorsitzende Martina Renner warnte: »Das ist der nächste Fall von extrem rechten Netzwerken im Staatsdienst und wohl nur die Spitze des Eisberges.« Die Sicherheitsbehörden hätten ein »ernsthaftes Problem« in den eigenen Reihen. »Am Ende steht die Frage, wer eigentlich die Menschen vor Neonazis und Rassisten bei der Polizei schützt«, sagte die Abgeordnete.
Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, forderte ebenso »rückhaltlose Aufklärung«. Dass im aktuellen Fall erneut auf den NSU Bezug genommen werde, habe »etwas extrem Verstörendes«, sagte der Politiker.
Scharfe Kritik gab es auch von der unabhängigen Initiative NSU-Watch. »Teile der Polizei sind nicht bereit, die notwendigen Lehren aus dem NSU-Komplex zu ziehen«, sagte Projektmitarbeiterin Caro Keller gegenüber »nd«. Nun brauche es eine »öffentlich überprüfbare Aufklärung« des Falles. Auch müsse es Konsequenzen für die beschuldigten Polizisten geben. Keller betonte weiter, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Auffliegen der mutmaßlichen rechten Zelle in Frankfurt und der fehlgeschlagenen NSU-Aufarbeitung im Land gebe.
»Wenn man den NSU-Komplex wirklich aufgearbeitet hätte, wäre auch das Thema institutioneller Rassismus bei Behörden substanziell angegangen worden.« So sei es jedoch vor allem bei »Symbolpolitik und schönen Reden« geblieben.
Während der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei Jörg Radek keine strukturellen Probleme bei deutschen Polizeibehörden sieht, verweist Caro Keller genau auf diesen Missstand. »Es darf nicht mehr weiter behauptet werden, dass es sich nur um Einzelfälle handelt«, so die Mitarbeiterin von NSU-Watch. Das Problem extrem rechter Netzwerke innerhalb des Staates müsse auf einer strukturellen Ebene geklärt werden.
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