Sieben Weichen gegen drei U-Bahnlinien

Bauarbeiten an U1, U2 und U3 am Wittenbergplatz entwickeln sich zum Politikum

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit anderthalb Jahren schieben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die Baumaßnahme vor sich her, nach Neujahr beginnt das Projekt Weichentausch am U-Bahnhof Wittenbergplatz. Wegen des geringen Raums im Tunnel, der keinen Betrieb auf Nachbargleisen erlaubt, mit weitreichenden Folgen für die Fahrgäste. In der ersten Bauphase zwischen 4. Januar und 24. Februar wird die U2 zwischen Bahnhof Zoo und Gleisdreieck unterbrochen, die U3 vekehrt nur zwischen Krumme Lanke und Spichernstraße. Immerhin fährt die U1 bis 25. Februar durch. Ab diesem Datum wird die älteste U-Bahnlinie der Stadt bis Anfang Juni auf den Abschnitt Warschauer Straße - Gleisdreieck gekürzt, dafür fährt die U2 wieder durchgehend. Die U3 soll ab 4. März wieder durchgehend fahren.

Der Pferdefuß für die Fahrgäste: es ist kein Busersatzverkehr vorgesehen. »Den Ersatz für die gesperrten Linien U2 und U3 übernimmt zum größten Teil die parallel laufende U1, die wir deshalb auf mehr als das Doppelte der üblichen Kapazität verstärken«, begründet BVG-Sprecher Markus Falkner die Entscheidung. Tatsächlich sollen auf der U1 alle vier Minuten Acht-Wagen-Züge fahren. Planmäßig verkehren derzeit U1 und U3 auf dem gemeinsamen Abschnitt tagsüber alle drei bis vier Minuten mit Sechs-Wagen-Zügen. In der Realität sind es jedoch oft die berüchtigten Kurzzüge mit nur vier Wagen, in die sich die Nutzer dann quetschen müssen.

Soll es der BVG gelingen, tatsächlich Züge in voller Länge einzusetzen, wäre das ein Fortschritt. Jörn Kaminski, Abteilungsleiter Fahrdienst bei der U-Bahn, ist zuversichtlich. »Wir werden Wagen für 14 Umläufe und außerdem zwei Reservezüge auf der U1 stationieren«, kündigt er an. Immerhin müssen die Züge zwischen Gleisdreieck und Kurfürstendamm zusätzlich die Fahrgäste der U2 transportieren. Die BVG empfiehlt, von dort aus die U9 zum Bahnhof Zoo zu nutzen. Wer halbwegs gut zu Fuß ist, sollte aber die 300 Meter einfach laufen.

Komplizierter wird es bei der U3. Wegen Bauarbeiten für einen Aufzug gibt es an der Spichernstraße nur eine mit mindestens 200 Meter Fußweg über die Straße verbundene Umsteigemöglichkeit zur U9. Es habe lange Diskussionen gegeben, die Baumaßnahme am Wittenbergplatz zu verschieben, bis der direkte Umstieg wieder möglich ist, berichtet U-Bahn-Bauchef Uwe Kutscher. »Aber es gibt keine Wahl«, so Kutscher. Alternativ empfiehlt die BVG die Nutzung der Buslinie 249 zwischen Zoo und Hohenzollernplatz. Bei der ab Februar 2019 anstehenden monatelangen Sperrung der U1 zur Uhlandstraße verweist das Unternehmen ebenfalls auf Linienbusse. Es habe wenig Sinn, in die zugestaute City West noch zusätzliche Busse zu schicken, heißt es bei der BVG.

Der Regierende Bürgermeister, Michael Müller (SPD), kritisiert die Entscheidung. Für den Wittenbergplatz als wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Herzen der Stadt müsse »ein Vorschlag auf den Tisch, wie ein Ersatzverkehr für den kritischen Zeitraum und ein besserer Service angeboten werden können«, erklärt er auf nd-Anfrage.

»Die BVG sieht Ersatzverbindungen vor: auf der U1 werden doppelt so viele Züge fahren wie sonst und in der City West werden Buslinien bei Bedarf verstärkt«, erklärt Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) dazu. »Insofern ist die Meldung, dass es keinen Ersatz gäbe, nicht richtig«, so Günther weiter.

Jens Wieseke, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands IGEB, zeigt sich erfreut, dass »inzwischen auch der Regierende Bürgermeister die Wichtigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs erkannt hat«. Er fordert die Verstärkung regulärer Buslinien. Die BVG will das allenfalls »operativ« zusagen, also nicht verbindlich den Fahrplan ändern. Außerdem sei das Konzept mit dem Aufgabenträger, der Senatsverwaltung für Verkehr, so abgestimmt.

Tatsächlich sind die Ersatzbusse schon verplant, denn ab 4. Januar wird die U7 zwischen Grenzallee und Britz-Süd wegen Schadstoffsanierung für zwei Monate gesperrt. Mehr Fahrer und Fahrzeuge kann die am Rande des Kollapses agierende BVG kaum aufbieten.

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