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Orientierung am »Machbaren«

Hessen: CDU und Grüne stellen ihren zweiten Koalitionsvertrag vor

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

CDU und Grüne in Hessen wollen weitere fünf Jahre miteinander regieren. Am Donnerstag stellten die Spitzenkandidaten beider Parteien, Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), in Wiesbaden den Koalitionsvertrag für ihre zweite gemeinsame Legislatur vor. Das Papier enthält einen bunten Katalog von Absichtserklärungen und mehr als 100 Prüfaufträgen. Doch wie vor fünf Jahren stehen die Ankündigungen unter Finanzierungsvorbehalt: Das Verbot der Aufnahme neuer Schulden soll unter keinen Umständen verletzt werden. Die »Schuldenbremse« war 2011 von der damaligen CDU-FDP-Regierung mit Unterstützung von SPD und Grünen in der Landesverfassung verankert worden.

Bei der Umsetzung des Vertrags wollen sich beide Partner »am Machbaren« orientieren. Damit könnten etwa in Folge eines konjunkturellen Abschwungs und geringerer Steuereinnahmen viele »Prüfungen« negativ verlaufen.

Unklar bleibt somit, wie etwa der Lehrkräftemangel behoben, die in Aussicht gestellte bessere Krankenhausfinanzierung gewährleistet oder der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in Stadt und Land solide umgesetzt werden sollen. Der Ausbau des Frankfurter Flughafens, den die Ex-Öko-Partei bis 2013 abgelehnt hatte, wird weiter vorangetrieben, während sich die Koalitionäre hinsichtlich der Zukunft des defizitären Regionalflughafens Kassel-Calden um eine klare Aussage drücken.

Das seit Anfang 2014 regierende Bündnis konnte bei der Landtagswahl Ende Oktober seine Mehrheit äußerst knapp verteidigen. Während die Zustimmung für die CDU um zehn Prozentpunkte einbrach, konnten die Grünen in nahezu gleichem Maße zulegen. Die einstige Ökopartei besetzt deshalb künftig zusätzlich zu den Ministerien für Wirtschaft und für Umwelt auch die bislang von CDU-Personal verwalteten Ressorts Soziales und Integration sowie Wissenschaft und Kunst. Bouffiers Vize Al-Wazir steigt zum »Superminister« auf, denn neben den Bereichen Wirtschaft, Energie und Verkehr wird er künftig auch den Wohnungsbau beaufsichtigen. Dies ist eine Klatsche für Umweltministerin Priska Hinz, die als für den Wohnungsbau verantwortliche Ressortchefin nach Ansicht von Opposition, Gewerkschaften und Mieterinitiativen völlig versagt hat. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an Al-Wazir.

Zur Behebung der zunehmenden Knappheit an erschwinglichem Wohnraum setzen die Koalitionäre unter anderem auf einen »Genehmigungsvorbehalt« für Kommunen bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, die Förderung von Wohneigentum, eine Aufstockung von Gebäuden und eine Stärkung der öffentlichen Wohnbaugesellschaft »Nassauische Heimstätte«. Eine konkrete Zahl zu bauender Sozialwohnungen fehlt im Vertrag aber ebenso wie die von den Grünen versprochene Wiedereinführung einer Zweckentfremdungsverordnung, mit der Kommunen leerstehende Häuser beschlagnahmen könnten. Dieses Instrumentarium hatte die CDU-Alleinregierung 2004 abgeschafft.

Voll durchgesetzt hat sich die CDU in der Innenpolitik. Die Koalition will 1000 zusätzliche Stellen bei der Landespolizei schaffen und die Behörde technisch weiter aufrüsten, etwa mit Elektroschockern und Körperkameras. Die Videoüberwachung an Flughäfen, Bahnhöfen, Stadien, Einkaufszentren und Packstationen soll »angemessen« ausgeweitet werden.

Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber sollen weiterhin zugleich zügig und so »human wie möglich« ablaufen. Flüchtlinge, die sich nicht an »Spielregeln« halten, sollen in die Erstaufnahmeeinrichtungen zurückgeschickt werden. Bouffier begrüßte ausdrücklich die von Grünen-Chefin Annalena Baerbock erhobene Forderung nach schneller Abschiebung krimineller Asylbewerber. »Wir sind in Hessen schon dabei«, sagte der CDU-Mann.

Auf die Frage, ob Hessen sich im Bundesrat bei der Abstimmung über die geplante Erklärung von Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien zu »sicheren Herkunftsstaaten« gemäß Koalitionsvertrag enthalten wird, antworteten Bouffier und Al-Wazir ausweichend. »Wir beraten es, wenn es so weit ist«, sagte Bouffier. Seine Wiederwahl und die Vereidigung des Kabinetts sind für den 18. Januar geplant. Kommentar Seite 8

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