Zeit spannen

Annäherung an eine Familiengeschichte über die Gegenwärtigkeit des Krieges.

  • Jana Weinert
  • Lesedauer: ca. 14.5 Min.

Das Telefon klingelt, kaum dass die Haustür ins Schloss gefallen ist. Die Nummer im Display ist vertraut und ich rufe in den Hörer: »Warte kurz, ich komme eben erst rein und stecke noch im Mantel.«

»Wo kommst du jetzt her?«, fragt meine Mutter neugierig, als ich mich endlich in die Kissen gekuschelt auf ein langes Telefonat eingerichtet habe. Dass ich von einer Lesung komme, ist schnell erzählt: Lyrik und Prosa über den Ersten Weltkrieg. Auch, dass ein einziger Satz mich überraschend heftig getroffen hatte. Die Schlussfrage aus »Soldaten« von Erich Weinert: »Warum sind wir nicht desertiert?«

Meine Mutter lacht kurz und hart. »Auf die Frage wäre mein Vater nie gekommen.« Großvater Kurt war begeistert in den Ersten Weltkrieg gezogen. Er hatte Glück. Eine Narbe an der Nasenspitze war alles, was er an Beschädigung davon trug. In einer Schlacht, irgendwo in Frankreich, hatte er sich in einen Schützengraben gerettet. Bajonette ragt...


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