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Kein Platz für kritische Töne

Hessische Grüne und CDU haben sich voller Begeisterung auf einen 200-seitigen Koalitionsvertrag geeinigt

  • Hans-Gerd Öfinger, Hofheim am Taunus
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit der feierlichen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags für die kommende Legislaturperiode haben CDU und Grüne in Hessen am Sonntag die Weichen für weitere fünf Jahre schwarz-grüner Landesregierung gestellt. Am Vortag hatten Gremien beider Parteien dem ausgehandelten und erst am Donnerstag veröffentlichten Papier zugestimmt.

Bei den Christdemokraten ging die Zustimmung erwartungsgemäß rasch und reibungslos über die Bühne. So votierte in Nidda der Landesausschuss in nichtöffentlicher Sitzung einstimmig für das knapp 200 Seiten umfassende Papier, das der CDU nach 20-jähriger Vorherrschaft in Hessen trotz hoher Stimmenverluste beim jüngsten Urnengang weiterhin die Rolle als tonangebende Regierungspartei sichert. Beide Partner hätten »Kompromisse gemacht, ohne die eigene Identität aufzugeben«, betonte Partei- und Regierungschef Volker Bouffier. Er war kürzlich 67 geworden und will noch einmal fünf Jahre weiter machen, um das schwarz-grüne Projekt als Referenzmodell für den Bund zu festigen.

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Bei der einstigen Ökopartei hatte eine Landesmitgliederversammlung in Hofheim nach knapp dreistündiger Aussprache das letzte Wort. »Wer von Euch als Berufstätiger hat den Koalitionsvertrag genau lesen können?«, fragte ein Redner die Anwesenden. Nur wenige Dutzend Hände gingen in die Höhe. Dies tat der allgemeinen Begeisterung allerdings keinen Abbruch. Ein euphorisches »Danke« an die Verhandlungskommission gehörte in der Aussprache zum guten Ton.

Fast alle Redner feierten Ankündigungen, Prüfaufträge und Absichtserklärungen im Vertrag wie etwa eine unabhängige Ombudsstelle beim Landtag, eine Kampagne gegen »Hate Speech«, mehr Ökolandbau, gemeinschaftliches Wohnen, Kampf gegen Steuerkriminalität oder den Verzicht auf sachgrundlose Befristungen als »toll«, »geil« oder »phänomenal«. »Der kritische Geist wird heute mit Ja stimmen«, so ein Mitglied aus dem Main-Taunus-Kreis. »Ich hätte nicht gedacht, dass die CDU dem zustimmt«, so ein Redner.

Bei so viel Freude über den politischen Partner war kein Platz für kritische Töne, wie etwa zu aktuellen Meldungen über rechtsradikale Netzwerke bei der Frankfurter Polizei oder Bouffiers Rolle als ehemaliger Innenminister im Zusammenhang mit dem Skandal um den hessischen Verfassungsschutz und die NSU-Mordserie. Im Koalitionsvertrag ist weiter Law-and-Order-Politik à la CDU angesagt, die ausgabewirksamen Ankündigungen stehen unter dem Vorbehalt der »Schuldenbremse«.

Versöhnlich gaben sich auch die wenigen hörbaren Kritiker bei der Grünen-Versammlung. So vermisste Uta Brehm (Wiesbaden) im Koalitionsvertrag Aussagen zur Verbesserung der mageren Vergütung für emotional anspruchsvolle Arbeit im Pflege- und Erziehungsbereich. Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden, Europa und Internationale Politik (LAG Frei) kritisierten, dass laut Vertrag die Zustimmung der Landesregierung im Bundesrat zum EU-Handelsabkommen zwischen Europa und Kanada (CETA) allein von einem Urteil des Europäischen Gerichtshof und des Bundesverfassungsgerichts abhängig gemacht werden soll.

»Wo ist da noch Platz für die Basis?«, fragte ein Mitglied. »Ich hätte mir gewünscht, dass zuerst das Votum des Parteirats eingeholt wird, bevor die Mitglieder der Landesregierung zustimmen«. Mit CETA könnten die Justiziare großer Konzerne »Politik verhindern«, so ein weiterer Redner. »Ein Koalitionsvertrag ist immer ein Kompromiss«, beruhigte Landesparteichef Kai Klose die Gemüter. Am Ende stimmten 479 von 528 anwesenden Mitgliedern dem Koalitionsvertrag zu.

Neben den bisherigen Grünen-Ministern Tarek Al-Wazir (Wirtschaft, Verkehr, Wohnen) und Priska Hinz (Umwelt und Landwirtschaft) werden mit Kai Klose und Angela Dorn die beiden bisherigen Landesvorsitzenden in das neue Kabinett Bouffier einziehen. Der gelernte Gymnasiallehrer Klose übernimmt den Bereich Soziales und Integration und die Psychologin Dorn das Ressort für Wissenschaft und Kunst. Damit müssen die Christdemokraten beide Ressorts abgeben. Die Besetzung der CDU-Regierungsämter soll erst im Januar bekannt gegeben werden.

Die Regierungsbildung soll zügig nach der Konstituierung des neuen Landtags am 18. Januar 2019 erfolgen. Dem neuen Parlament gehören sechs Fraktionen an. CDU und Grüne haben nur eine hauchdünne Mehrheit von 69 der 137 Abgeordneten.

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