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Schweigen fürs Staatswohl
Der BND und die einstigen Putschisten in Griechenland und Chile - eine ungeklärte Kumpanei
Man hört sie ja gerne, die Sonntagsreden über Transparenz und Ehrlichkeit in Sachen eigener Geschichte. Ende Oktober erst hatte die Unabhängige Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945 bis 1968 zu einer Buchvorstellung in das neue Berliner Anwesen des BND eingeladen. Bei der Gelegenheit erklärte Ole Diehl, Vizepräsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes, wie umfangreich und international beispielhaft doch die Kommunikation zwischen seiner Behörde und der Öffentlichkeit laufe. Seit 2011 würden die Forscher ganz frei in den Archiven seines Dienstes agieren und man unterstütze diese historische Neugier mit 2,4 Millionen Euro. Carsten Maas, im Bundeskanzleramt mit der Fachaufsicht über den Geheimdienst beauftragt, bestätigte angesichts vieler gar nicht rühmlicher Verhaltensweisen des Dienstes in vergangenen Jahrzehnten nur zu gern, dass »der BND vollständig in unserer Demokratie angekommen ist«. Obwohl man ja naturgemäß im Verborgenen arbeite, laufe alles bestens bei der Kontrolle des Dienstes durch das Parlament. Mehr noch, Maas verstieg sich sogar zu der Aussage: »Was nicht mehr geheim gehalten werden muss, kann veröffentlicht werden.«
Prima, dachte sich der Bundestagsabgeordnete Jan Korte und erhoffte sich eine umfangreiche Antwort auf eine kurz zuvor gestellte Anfrage an die Regierung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion wollte etwas über die Aktivitäten deutscher Geheimdienste in Griechenland und die Zusammenarbeit mit der zwischen 1967 und 1974 herrschenden Obristendiktatur erfahren. Die Militärs waren mit Hilfe der von der NATO in ihrem Machtbereich gegründeten Gladio-Geheimorganisation an die Macht gekommen und herrschten äußerst blutig. Vor, während und nach ihrer Herrschaft pflegte der BND eine enge Zusammenarbeit mit dem griechischen Partnerdienst KYP. Man unterhielt eine Residentur in Athen und einer von Diehls Vorgängern im Amt, Dieter Blötz, machte seine Aufwartung beim griechischen Geheimdienstchef. Was bekannt ist, weil der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom unter anderem intensiv Nachlässe durchforstet. Blötz berichtet in seinen Erinnerungen von Vasen, die ihm bei seinem Junta-Besuch verehrt wurden.
Um es vorwegzunehmen: Der Abgeordnete Korte ist von der Antwort der Bundesregierung gar nicht begeistert. Sie ist das Gegenteil dessen, was die BND-Führung öffentlich verspricht. Denn es mutet schon seltsam an, wenn das Auswärtige Amt behauptet, im BND-Archiv seien »keine von Herrn von dem Knesebeck verfasste Berichte über die Militärjunta aus Athen recherchierbar«. Dietz von dem Knesebeck war in jener Zeit Resident des BND in Griechenland. Dass er nichts berichtet hat, ist unwahrscheinlich. Wo aber sind seine Informationen an die Zentrale geblieben? Gefragt war auch, ob die CIA den BND vor dem Putsch über die Umsturzpläne unterrichtet hat oder ob der BND in irgendeiner Form eingebunden war. Zu dem Thema, wie auf zahlreiche andere Fragen, erteilte die Bundesregierung eine erstaunliche, durchaus erhellende Nicht-Antwort. Sie zieht sich auf das »Staatswohl« zurück, das bei Preisgabe von Details gefährdet wäre. Kernsatz: »Eine Veröffentlichung von Einzelheiten kann ... für die Interessen der Bundesrepublik schädlich sein.«
Das mit dem Staatswohl bezweifelt Korte. Er beschwerte sich offiziell über die unkooperative Art der Regierung. Da es sich um weit zurückliegende Vorgänge handelt, sei eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste »nicht ernsthaft zu befürchten«, erklärt der Abgeordnete. Zudem könne die Bundesregierung doch nicht ernsthaft auf eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit einem Folterregime beharren. Falls die griechische Seite aktuell eine Herausgabe der Informationen verweigert habe, so würde ihn das natürlich interessieren, schrieb Korte und erhielt aus dem Hause von Außenminister Heiko Maas (SPD) die Auskunft: »Nachrichtendienstliche Sachverhalte, die noch nicht 60 Jahre oder länger zurückliegen, sind in der Regel weiterhin geheimhaltungsbedürftig.« Seltsam mutet auch der Hinweis von Außenamtsstaatssekretär Walter J. Lindner an, dass »Griechenland NATO-Partner war und ist«.
Chile war und ist kein NATO-Mitglied, seine Bevölkerung litt aber ebenfalls unter einer Militärdiktatur. Am 11. September 1973 putschten Soldaten die demokratisch legitimierte Regierung des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende weg. Was den BND aber nicht dazu brachte, seine - vorwiegend über Nazi-Massenmörder gehaltenen - Kontakte zu chilenischen Geheimdiensten oder zur deutsch geführten »Colonia Dignidad«, die den Putschisten als Folterbasis diente und auf deren Gelände mutmaßlich ermordete Oppositionelle verscharrt wurden, abzubrechen. Statt klare Antworten zu geben, wiederholt die Bundesregierung, die Veröffentlichung von Details könne »für die Interessen der Bundesrepublik schädlich sein«.
Je nachdem, wie man diese Interessen definiert, mag das stimmen. Immerhin macht die Antwort klar, dass die damalige Bundesregierung bereits Anfang September 1973 »über die nachrichtendienstliche Berichterstattung« vor einem »möglichen Eingreifen des chilenischen Militärs in die Innenpolitik des Landes gewarnt worden« war. Unabhängig davon, wie freundlich die heutige Regierung einen blutigen Militärputsch umschreibt, bleibt festzuhalten: Im September 1973 war der Sozialdemokrat Willy Brandt Bundeskanzler.
Etwas seltsam mutet es an, dass die aktuelle Bundesregierung dem Fragesteller Korte quasi nahelegt, sich doch mal bei der Stasi-Unterlagenbehörde umzuhören. Man selber wisse nur, dass der DDR-Geheimdienst seine Einrichtungen nach dem Putsch von Chile nach Argentinien verlegt habe. Zur Ehrlichkeit hätte ein Nachsatz gehört, in dem sinngemäß gestanden hätte, dass das MfS - im Gegensatz zu den westdeutschen Diensten - sein Möglichstes getan hat, um erfolgreich gefährdete Oppositionelle aus dem Einflussbereich der mordenden Putschisten herauszubringen.
Wer nun hofft, die Unabhängige Historikerkommission könne Informationen zum dunklen Kapitel der Zusammenarbeit des BND mit den Putschisten in Griechenland und Chile liefern, wird vom Auswärtigen Amt in die Realität zurückgeholt. In den bisherigen Veröffentlichungen, teilt es mit, »wird Chile nicht behandelt«. Und so wird es auch bleiben, denn der Untersuchungsauftrag der Forscher reicht nur bis zum Jahr 1968. Bislang gibt es noch keine Signale aus dem BND oder dem Kanzleramt, dass eine Fortsetzung des Projektes erwünscht ist. Vermutlich stehen dem »Staatswohlgründe« entgegen.
Doch Jan Korte beharrt darauf, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat »zu erfahren, wie groß das Ausmaß der Zusammenarbeit mit so verbrecherischen Diktaturen wie dem Pinochet-Regime war und ob sich die damaligen Bundesregierungen eventuell mitschuldig an Menschenrechtsverletzungen gemacht haben«. Seine Fraktion werde in Kürze eine weitere Anfrage zur Zusammenarbeit mit der Diktatur in Brasilien einreichen, sagte Korte gegenüber »nd«. Wenn sich das Antwortverhalten der Regierung nicht ändere, »werden wir einen Antrag auf Aufarbeitung der deutschen Zusammenarbeit mit Diktaturen im Kalten Krieg durch eine unabhängige Historikerkommission ins Parlament einreichen«, kündigte er an.
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