Unsere Art zu leben und der Terror

Westlicher Konsum und Lebensstil haben bisweilen terroristische Folgen, vor allem aber solche für den Planeten. Kritik daran wird mit Anti-Terror-Rhetorik abgewehrt

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 3 Min.

Kurz vor Weihnachten gab es einen Doppelangriff auf unsere Freiheit. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte auf zweierlei Ebenen etwas angeregt: Zunächst sprach sie sich für ein Tempolimit von 120 Stundenkilometer auf Deutschlands Autobahnen aus, um dann mit einer von Behörden kontrollierten Silvesterböllerei nachzulegen. Beide Maßnahmen dienten der Umwelt und der Gesundheit. In den sozialen Netzwerken tobte danach die blanke Wut. Die DUH erntete einen Shitstorm. Selbst in meiner eher linken Filterblase formierte sich dort der Empörungsmob, der der Ansicht war, dass hier auf gefährliche Art und Weise an der freiheitlichen Grundordnung gerüttelt würde. Ja, das sei viel schlimmer noch, ein weiterer Angriff auf unsere Art zu leben.

Diese Floskel, wonach jemand versucht sei, »unsere Art zu leben« anzugreifen, kam mir indes ziemlich bekannt vor. Man hört sie eigentlich immer, wenn uns ein Terroranschlag erschüttert. Dann tritt ein Politiker vor die Presse und ringt mit dieser Floskel um Worte der Zuversicht, formt sie zur Durchhalteparole. Denn wahrlich dürften wir uns unsere Art zu leben nicht von Killerkommandos und Kamikazeattentätern nehmen lassen. Was als Trostwort gut gemeint sein mag in jenen Stunden, ist aber bei genauer Betrachtung ja das eigentliche Problem. Es ist nämlich eben exakt diese unsere Art zu leben, die den Planeten an den Rand des Ertragbaren drängt und die eben auch terroristische Strukturen begünstigt.

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Jean Ziegler hat vor einigen Jahren über den »Hass auf den Westen« geschrieben. In seinem gleichnamigen Buch befasste er sich dem »wirtschaftlichen Weltkrieg«, den die reichen Industrienationen den armen Völkern der Erde aufdrücken. Eine »kannibalistische Weltordnung« sei hier entstanden, in der die Länder des Trikonts trotz Ressourcenreichtums nichts zu melden haben. Sie fühlen sich weder wahrgenommen noch gleichberechtigt. Daraus ergibt sich eine Verachtung für die Lebensweise des Westens, eben für unsere Art zu leben. Leider auch mit terroristischen Folgen für uns alle.

Unsere Art zu leben als Losung auszugeben, egal ob als Politiker nach einem Anschlag oder als Wutbürger im sozialen Netzwerk, der kein Tempolimit und ein Verbot der Silvesterknallerei will, hat einen antimodernistischen Zug. Denn man weigert sich hinzunehmen, dass die eigene Lebensart vielleicht ein Problem darstellen könnte. Mit der Parole entzieht man sich der Analyse der Lebensumstände und erstickt jede Diskussion darüber im Keim.

Natürlich ist die DUH keine terroristische Vereinigung – aber wie mancher terroristische Anschlag beanstandet sie eben immer wieder, dass diese Lebensart kein Entwurf für die Zukunft der Menschheit sein kann. Es gibt eben keine Freiheit zu rasen und es gibt auch keine Freiheit, mit Schwarzpulver die Umwelt und andere Mitmenschen zu belasten. Ebenso wenig, wie es eine Freiheit dazu geben dürfte, den Rest des Planeten als zur Ausbeutung freigegebene Wohlstandssphäre anzusehen, aus der man sich nur zu bedienen braucht.

Systemkritik und ökologisch bedingte Skepsis gegen unsere Art die Welt zu verpesten gehören zusammen. Dass ihr nun mit der müden Rhetorik des Antiterrorkampfes begegnet wird, dass man so tut, als habe unsere Art des Wirtschaftens, Konsumierens, Wegwerfens den höchsten ethischen Standard erreicht, ist bedenklich. Man drückt damit der DUH den Stempel eines soften Terrorismus‘ auf, gegen den man sich intellektuell dringend verwehren muss.

Doch der Terror geht ja eigentlich von jenen aus, die diese Art »unsere Art zu leben« leben und die mit ihr Hausieren gehen. Es ist ein Aufruf zu einem Wir-Gefühl gegen all die Anderen, die uns bloß die Laune vermiesen wollen, die unsere »Lebensart« stören möchten. Diese Rhetorik ruft dazu auf, nicht nachzudenken, sondern sich emotional vereinnahmen zu lassen – gegen jede Vernunft. Man sollte diese Unart zu leben und zu denken nicht mit Lebensart verwechseln.

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