Grundrechte sind keine Ehrenauszeichnung

Drei Migranten retten Griechen das Leben und erhalten dafür die Staatsbürgerschaft / Wer Geflüchtete rettet, wird kriminalisiert

  • Lou Zucker
  • Lesedauer: 3 Min.

Staatsbürgerschaft bedeutet Zugang zu Grundrechten. Sie ist »das Recht, Rechte zu haben«, wie es die politische Theoretikerin Hannah Arendt ausdrückt. Staatsbürgerschaft ist keine Ehrenauszeichnung, die einem nur aufgrund besonderer Leistung zugedacht werden sollte. Genauso aber hat die griechische Regierung sie verwendet, als Präsident Prokopis Pavlopoulos drei migrantischen Fischern am 2. Januar die griechische Staatsbürgerschaft verlieh. Der Grund: Sie hatten vergangenen Juli Griechen aus dem Meer gerettet, die von schweren Waldbränden eingeschlossen und ins Wasser geflüchtet waren.

Einen ähnlichen Fall hatte es im September in Frankreich gegeben. Der malische Migrant Mamoudou Gassama erhielt die französische Staatsbürgerschaft nachdem er mit bloßen Händen vier Stockwerke eines Wohnblocks hochgeklettert war, um ein Kind zu retten, das von einem Balkongeländer hing.

Zum Vergleich: Die Schwestern Sarah und Yusra Mardini, letztere Olympiaschwimmerin, retteten 2015 auf ihrer Flucht aus Syrien 18 anderen Flüchtende vor dem Ertrinken. Stundenlang zogen sie ein schwiffbrüchiges Schlauchboot schwimmend hinter sich her bis an die griechische Küste. Sarah Mardini, die in Berlin lebt, sich aber auf der griechischen Insel Lesbos stark in der Geflüchtetenhilfe engagiert, war monatelang in Griechenland unter fragwürdigen Vorwürfen in Haft und kam erst vergangenen Dezember auf Kaution frei.

Der Unterschied: Die Menschen, welche die Schwestern Mardini retteten, und für die sich Sarah Mardini weiterhin einsetzt, waren keine Europäer*innen, sondern Geflüchtete. Auch private Rettungsschiffe werden von den europäischen Regierungen immer wieder bei der Seenotrettung von Flüchtenden behindert, oder sogar wegen ihres Engagements kriminalisiert. Derzeit warten die Schiffe Sea-Watch und Sea-Eye vor der Küste Maltas mit 49 geretteten Migrant*innen an Bord darauf, an Land gehen zu dürfen. Dass im Jahr 2018 laut UNHCR 2262 Menschen während der Überfahrt von Afrika nach Europa im Mittelmeer starben, liegt demnach auch mit in der Verantwortung europäischer Migrationspolitik.

Bei den drei Fischern, die am Mittwoch die griechische Staatsbürgerschaft erhielten, handelt es sich um den Albanen Gani Xheka (35) und die beiden Ägypter Emad el-Khaimi (50) und Mahmoud Ibrahim Musa (46). Letzterer lebt bereits seit 31 Jahren in Griechenland. Präsident Pavlopoulos bezeichnete ihre Rettungsaktion laut »BBC« als Botschaft »an die populistischen und xenophoben Formationen, die sich gegen den europäischen Geist des Humanismus und der Solidarität richten«. Mit seiner Aussage, andere Europäer*innen könnten etwas von ihnen lernen, hat er sicher Recht. Doch als wie humanistisch und solidarisch kann der »europäische Geist« bezeichnet werden, wenn Menschenleben der europäischen Politik offenbar so unterschiedlich viel wert sind?

Ein Europa, dass sich mit Werten wie »Humanismus« und »Solidarität« schmücken will, sollte sich gleichermaßen für das Überleben von Menschen engagieren, egal, ob es eine Griechin oder ein syrischer Geflüchteter ist, der vor dem Ertrinken gerettet wird. Und es sollte seinen Bewohner*innen gleichen Zugang zu Rechten verschaffen. Nicht als Auszeichnung für besonderes Engagement, sondern aufgrund ihrer Existenz als Mensch. Das wäre der einzige Humanismus, der sich ehrlich als solcher bezeichnen könnte.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.