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  • Polizeigesetz in Berlin

Ohne Handgranaten und Fußfesseln

Berlin will jetzt zeigen, wie man ein Polizeigesetz maßvoll erneuern kann

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Verhandlungen für das neue Berliner Polizeigesetz neigen sich dem Ende entgegen. Noch im Januar will die rot-rot-grüne Senatskoalition in Berlin sich über die Novellierung des »Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG)« verständigen. So heißt das Polizeigesetz in der Hauptstadt. In anderen Bundesländern, beispielsweise in Bayern, hat die Verschärfung des Polizeigesetzes im vergangenen Jahr zu großen Protesten der Bürger geführt. Zurzeit sind alle Bundesländer gefordert, unter anderem aufgrund der neuen Datenschutzrichtlinien der Europäischen Union die Regelungen anzupassen. Doch in Bayern wurden besonders weitgehende Verschärfungen diskutiert. Das ging bis hin zum Einsatz von Explosivmitteln bei Spezialeinsatzkommandos.

Von dem Einsatz elektronischer Fußfesseln und Handgranaten will man in Berlin nichts wissen. Zwar hat sich der Ton in der innenpolitischen Debatte seit dem islamistischen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz mit zwölf Toten und nahezu 100 Verletzten auch verschärft, aber das Mitte-links-Bündnis will dennoch zeigen, dass man das Polizeigesetz anders novellieren kann als in Bayern. »Wir wünschen uns, dass Rot-Rot-Grün beim ASOG ein bürgerrechtliches Gegenmodell zur bundesweiten Verschärfung der Polizeigesetze entwirft«, sagt der Abgeordnete Niklas Schrader. Er sitzt für die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und soll die Novellierung aushandeln.

Quasi der Gegenpol zur Linkspartei sind bei Rot-Rot-Grün in Berlin die Sozialdemokraten. Sie fordern »maßvolle« Änderungen des Polizeigesetzes, wie sie selber sagen. »Wir wollen mit dem ASOG zum einen den Koalitionsvertrag umsetzen, zum anderen muss das Terrorabwehrrecht maßvoll angepasst werden«, sagt Frank Zimmermann, Innenexperte der Sozialdemokraten. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Im Herbst, als die Verhandlungen zur ASOG-Novelle begannen, überraschte die SPD Linkspartei und Grüne mit einer Art Forderungskatalog. Der las sich wie von den Konservativen abgeschrieben: Die Auflistung beinhaltete die Einführung eines sogenannten finalen Rettungsschusses, der Polizisten gestattet, einen Angreifer oder Täter in Extremfällen gezielt zu töten, den Einsatz von elektronischen Fußfesseln und die Verschärfung der Überwachung der Telekommunikation.

Zwischen SPD und Linkspartei, sozusagen als Mittler, stehen derzeit die Grünen. »Wir müssen eine rechtstaatliche Lösung hinbekommen, die sehr maßvoll ist«, fordert der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landesparlament, Benedikt Lux. Der Abgeordnete verweist auf die vielen Dinge, die in dem Dreierbündnis bereits Konsens seien: So soll im neuen Polizeigesetz auch die rechtliche Grundlage für einen versuchsweisen Einsatz von sogenannten Bodycams bei der Berliner Polizei gelegt werden. Die Polizisten tragen die kleinen Körperkameras auf der Schulter, in bestimmten brisanten Situationen können sie eingeschaltet werden, um den Einsatz zu dokumentieren. Dieser Test war bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden, weshalb auch die Linkspartei nichts dagegen hat.

Dass in Berlin überhaupt eine Verschärfung des Polizeigesetzes diskutiert wird, hängt nicht nur mit juristischen Vorgaben und dem Datenschutz zusammen, sondern natürlich auch mit dem islamistischen Anschlag auf den Breitscheidplatz. Das in einer ersten Reaktion darauf verabschiedete »Sicherheitspaket« von Rot-Rot-Grün beinhaltete zwar zahlreiche Verbesserungen, unter anderem bei der Ausrüstung der Polizei. Doch den interessierten Kräften auf der rechten Seite des Parteienspektrums gingen die Maßnahmen längst nicht weit genug. Die CDU in Berlin etwa lockte unlängst in der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses vor den Weihnachtsfeiertagen SPD-Innensenator Andreas Geisel (SPD) mit dem Angebot, dass die SPD gemeinsam mit der CDU ein neues Polizeigesetz beschließen könne. Videoüberwachung, einen »finalen Rettungsschuss« bei Geiselnahmen und elektronische Fußfesseln für islamistische Gefährder würden die Konservativen gerne im neuen ASOG verankert sehen.

SPD-Innensenator Andreas Geisel lehnte die Offerte indes ab. »Wir haben eine handlungsfähige Koalition, die Sicherheit dieser Stadt und die Verbesserung der Sicherheitssituation liegt uns am Herzen«, sagte Geisel. Alles andere wäre auch ein politisches Novum gewesen. Es ist in Deutschland nicht üblich, dass Koalitionspartner mit Fraktionen der Opposition bei Einzelthemen zusammenarbeiten und andere Koalitionspartner damit übergehen. Ein solches Vorgehen würde in Berlin mit Sicherheit das Ende von Rot-Rot-Grün bedeuten.

Bleibt der Verhandlungsweg, den das Mitte-links-Bündnis weiter beschreiten will. »Die Gespräche der Koalitionsfraktionen gemeinsam mit dem Senat laufen weiter, und ich bin mir sicher, dass es notwendige Gesetzesanpassungen geben wird«, betonte Geisel in der Parlamentsdebatte. Wie die am Ende aussehen, ob es tatsächlich der große liberale Gegenentwurf zum umstrittenen bayerischen Polizeiaufgabengesetz wird, bleibt offen. Dem Vernehmen nach konnten einige Streitpunkte ausgeräumt werden. So soll der »finale Rettungsschuss« in Berlin genauso vom Tisch sein wie der Einsatz von elektronischen Fußfesseln. Ganz ohne Verschärfungen wird aber auch in der Hauptstadt das neue Polizeigesetz nicht auskommen: So ist weiter von der Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung die Rede. Und auch zur partiellen Ausweitung der Videoüberwachung dürfte das letzte Wort nicht gesprochen sein - die wünscht sich die SPD nämlich ebenfalls.

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