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Kriminalisierung rechtfertigt Gewalt
Biplab Basu über Racial Profiling und die Signalkraft polizeilicher Maßnahmen
Herr Basu, zwischen den Jahren wurden Sie und Ihr Sohn im Zug von Salzburg nach München als Einzige in Ihrem Abteil von der Bundespolizei kontrolliert. Können Sie kurz erklären, warum das Racial Profiling ist?
Wir waren die einzigen Schwarzen im Abteil. Die Polizeibeamten sind direkt zu uns gekommen und dann weiter durch den Wagen gegangen und ausgestiegen. Sie haben mir auch direkt gesagt, dass es eine Migrationskontrolle ist. Also ist es nachvollziehbar, dass er uns als potenzielle Migranten verstanden hat und die weißen Menschen nicht.
Biplab Basu ist Historiker, Mitbegründer der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und Mitarbeiter der Beratungsstelle ReachOut. Mit ihm sprach Ulrike Wagener
Welche Rolle spielen rassistische Polizeikontrollen im Kontext einer verstärkt repressiven Migrationspolitik?
Ich glaube, das ist ein Teil von dem Gesamtpaket rassistischer Kriminalisierung von Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Also wie die Polizei Schwarze oder rassifizierte Menschen sieht. Die Kriminalisierung, als Kriminalitätsbekämpfung, steht im Vordergrund. Menschen, die hier als vermeintliche Ausländer gesehen werden, werden permanent kriminalisiert - und zwar nicht innerhalb der eigenen vier Wände, sondern diese Kriminalisierung muss für alle sichtbar sein. Damit leben sie in ständiger Unsicherheit. Auch diese Zugkontrollen dienen der Kriminalisierung, auch wenn es in unserem Fall noch vergleichsweise harmlos ist, also nicht lebensbedrohlich wie für geflüchtete Menschen. Diese Kriminalisierung geht einher mit Angriffen, sowohl von staatlicher Seite als auch von Seiten der Bevölkerung. Das hat noch einen anderen Effekt: das brutale Vorgehen der Polizei, beispielsweise in bayrischen Geflüchtetenunterkünften, wird legitimiert, indem sie ständig von Ausländerkriminalität reden. Auch die Aussage des Innenministers Horst Seehofer - kriminelle Ausländer müssen abschoben werden - als ob wir nicht in einem Rechtsstaat leben würden.
Gibt es in letzter Zeit ein größeres Bedürfnis, das Bild einer starken handlungsfähigen Polizei zu inszenieren?
Nein, ich denke das war immer so. Seit ich in der Bundesrepublik lebe, seit 30 Jahren, gab es immer diese Kriminalisierung. Aber es gibt bestimmte Zeiten, wo es günstiger ist, solche Meinungen zu verbreiten und es gibt Zeiten, wo einem so etwas nicht abgekauft wird. Viele Menschen haben etwa gar nicht bemerkt, dass die Gesetze so geändert worden sind, so dass die Polizei jetzt alles als Angriff werten kann. Denken wir an die 90er Jahre, wo sogenannte Ausländerheime angezündet wurden. Plötzlich kam der Wunsch auf, das Asylgesetz zu ändern - und es hat auch geklappt. So ähnlich ist es auch jetzt. Jede Form brutaler Polizeigewalt könnte man so legitimieren.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Erst neulich war ich bei einem Gerichtsprozess, wo die Polizei ihre Beweisführung nicht logisch erklären konnte. Es gab Hunderte von Lücken und das Gericht hat das auch erkannt. Sie haben ausgesagt, dass der Angeklagte einen grauen Kapuzenpulli anhatte, doch der wurde nirgends gefunden und war auch auf den Beweisfotos der Polizei nicht zu sehen. Trotzdem wurde der Aussage geglaubt - denn warum sollte ein Polizist, ein unbescholtener Bürger, lügen. Der Angeklagte war aber auch ein unbescholtener Bürger, er hatte keinen Eintrag und sie haben keine Drogen bei ihm gefunden. Aber er war Schwarz. Am Ende wurde er verurteilt.
Wie hängt das damit zusammen, wie Skandale innerhalb der Polizei behandelt werden, zum Beispiel der Tod von Amad Ahmad in einer Polizeizelle in Kleve im vorigen Jahr?
Im Fall Amad Ahmad wird es genauso laufen wie bei Oury Jalloh. Es wird heißen, der Arme war so überfordert, dass er sich umgebracht hat. Das sind keine Ereignisse, die für sich stehen - sie haben Signalkraft. Es zeigt, wer dazu gehört und wer nicht. Für die weiße Bevölkerung heißt das: Euch schützen wir. Wir stehen zusammen. Kritisiert uns nicht zu hart, das sind leider notwendige Maßnahmen - und wenn wir zusammen gehören, dann müssen wir gemeinsam diese andere Gruppe bekämpfen.
War das schon immer so?
Nein, es war nicht immer das Gleiche. Aber in den letzten drei, vier Jahren hat es eine Polarisierung gegeben. Die konservativen, rechten Politiker versuchen diese Polarisierung aufrecht zu erhalten, um ihre menschenverachtende Politik - und ich meine damit nicht »Law-and-Order-Politik«, sondern Wohnungsmarktpolitik, Sozialpolitik oder Außenpolitik - zu legitimieren. Es muss Angst erzeugt werden, die weiße Mehrheitsbevölkerung muss sich bedroht fühlen, dann sind sie bereit, erkämpfte Freiheiten aufzugeben und für eigene Misere die »Ausländer«, »Schwarze« oder »sichtbare Minderheiten« verantwortlich zu machen. Ich denke, dass eine rassistische »Law-and-Order-Politik« nicht zu trennen ist von Klassenpolitik. Wenn man das nicht im Zusammenhang sieht, dann macht man meines Erachtens einen Fehler. Und damit meine ich jetzt nicht die staatlichen Akteure, sondern linke Kräfte. Linker Aktivismus muss Klassenpolitik und Rassismus zusammen denken.
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