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Mit eigener Stimme

Die erste Pflegekammer Deutschlands existiert seit zwei Jahren in Rheinland-Pfalz

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 4 Min.

In drei Bundesländern existieren bereits Pflegekammern, in fünf weiteren laufen Vorbereitungen und teils heftige Diskussionen um den Sinn einer solchen Einrichtung. Wie eine Pflegekammer erfolgreich aufgebaut werden kann, zeigt die bundesdeutsche Erstgründung in Rheinland-Pfalz. Hier wurde relativ viel richtig gemacht, mit ausreichend Vorlauf, politischer Unterstützung und auch mit Fingerspitzengefühl für heikle Fragen.

Zu wenig Pflegekräfte versorgen zu viele Bedürftige, der Verdienst ist relativ niedrig, die Arbeitsbedingungen sorgen häufig für zusätzlichen Stress und frühe Erschöpfung im Berufsleben. »Diese Themen sind leider immer aktuell«, meint Sandra Postel, Vizepräsidentin der Kammer in Rheinland-Pfalz. Auch deshalb werde die Kammer gebraucht. »Hier verwaltet sich die Berufsgruppe selbst, parallel dazu vertritt sie ihre gemeinsamen Interessen nach außen.«

In Rheinland-Pfalz funktioniert das inzwischen etwa in den Landeskommissionen gut, die das Gesundheitswesen tangieren. So ist die Kammer zum Beispiel in dem Gremium für die Landeskrankenhausplanung mit Stimm- und Vetorecht vertreten. »Hier kann kein Bett mehr ohne unsere Mitsprache geplant werden,« erklärt die gelernte Krankenpflegerin und Pflegewissenschaftlerin Postel.

Zu den anderswo heftig umstrittenen Fragen bei der Kammergründung zählt etwa die nach den Mitgliedsbeiträgen bei der noch ungewohnten Organisationspflicht. So sind in dieser Kammer heute alle knapp 40 000 examinierten Pflegekräfte des südwestlichen Bundeslandes organisiert. An einer Abstimmung für oder gegen eine solche Einrichtung konnte 2012 nur teilnehmen, wer per E-Mail zuvor seine Examensurkunde eingesandt hatte. Damals entschieden sich 76 Prozent der Teilnehmer für die neue Körperschaft. Ein nötiger rechtlicher Schritt folgte bald: Die examinierten Pflegekräfte wurden Ende 2014 in das Heilberufegesetz von Rheinland-Pfalz aufgenommen. Erst damit war die Gründung möglich.

Für die Pflichtbeiträge wurde ein Staffelmodell gewählt, und zwar durch die Kammermitglieder selbst. Ein Gründungszuschuss der Landesregierung ermöglichte einen ruhigen Start, erklärt Vizepräsidentin Sandra Postel rückblickend. Die politische Unterstützung für das Vorhaben scheint ausschlaggebend für den bisherigen Erfolg: »Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat genau erkannt, dass Gesundheitspolitik dann gut wird, wenn alle zusammenwirken.« Auch der Landtag stimmte geschlossen für das ergänzte Heilberufegesetz.

Zur Mitgliedschaft verpflichtet sind nach dem Gesetz in Rheinland-Pfalz alle, die ein Examen als Pflegefachkraft erworben haben. Dieses Kriterium bringt es mit sich, dass auch Inhaberinnen von ambulanten Diensten oder Menschen aus Leitungsebenen der Kammer angehören. Oft waren sie zuvor schon in entsprechenden Arbeitgeberverbänden organisiert. »Natürlich treibt sie zu Teilen die Sorge um, dass die Kammer nicht zu ihren Gunsten entscheidet«, beobachtet Postel.

Ebenfalls eher skeptisch, aber dann doch mit dabei sind Gewerkschaften. Ver.di stellt die zweitstärkste Liste in der Vertreterversammlung der Kammer. Die Kolleginnen hätten ein scharfes Auge darauf, dass auch alles rechtens ist, was hier beschlossen wird. »Obwohl manche Gewerkschafter vehement gegen Pflegekammern sind, zeigt unsere Praxis, dass man sich eigentlich gut ergänzen kann«, wirbt Postel.

Die gewählten Funktionäre der Kammer leisten ihre Arbeit alle im Ehren- oder Nebenamt und erhalten eine Aufwandsentschädigung. Daneben sorgen Hauptamtliche in der Geschäftsstelle dafür, die Anliegen der 40 000 Mitglieder adäquat zu verwalten, beraten zum Beispiel berufsrechtlich und fachlich. Ein Callcenter wurde beauftragt, Standardfragen in den durchschnittlich 1500 Anrufen pro Woche zu beantworten und andere weiterzuleiten.

Eines der Themen, das bislang besonders wichtig war und wohl weiterhin sein wird, ist Gewalt in der Pflege. Dazu gehören die Konsequenzen aus Gewaltakten gegen Patienten. Wird in solchen Fällen polizeilich ermittelt, wird die Pflegekammer als Instanz zur Beurteilung der Pflichtverletzung aus beruflicher Perspektive hinzugezogen. Auf Grundlage der Stellungnahme der Kammer wird dann bei einer Verurteilung die Erlaubnis entzogen, den Beruf weiter auszuüben.

Ein anderer Aspekt sind die Hilferufe von Pflegekräften, die der Kammer mitteilen, dass sie unter den aktuellen Bedingungen dauerhaft überlastet und überfordert sind. Wenn es alternativlos erscheint, Patienten nur noch über eine Fixierung sichern zu können, ist das ein Alarmzeichen. So kann es zu Anzeigen gegen Betriebe kommen: Hier ist keine gute Pflege möglich. Auch Gewalt gegen Pflegekräfte spielt eine Rolle; bislang wird das vor allem für Notaufnahmen und die Psychiatrie thematisiert. Postel könnte sich als Gegenmittel einen Notfallknopf für die Pflege vorstellen. Zum gesamten Komplex laufen bei der Kammer immer wieder die Telefone heiß.

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