Ohne Ansehen der Person freigelassen

Justizminister und Gerichtspräsident äußern sich zum Fall des Brandstifters von Nauen, der seinerzeit NPD-Mann war

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

An diesem Mittwoch gibt es wieder einen Prozesstermin für den ehemaligen NPD-Kommunalpolitiker Maik Schneider. Gegen ihn wird verhandelt, weil er im August 2015 eine Turnhalle in Nauen (Havelland) anzündete, bevor dort Flüchtlinge untergebracht werden konnten. Der Prozesstermin ist einer unter vielen. Das Besondere ist diesmal, dass Maik Schneider erstmals nicht in Handschellen vorgeführt wird, sondern das Landgericht Potsdam als freier Mann betritt. Denn das Oberlandesgericht Brandenburg hat entschieden, dass dem Angeklagten die Untersuchungshaft wegen Verfahrensverzögerungen nicht mehr zuzumuten sei.

Dies sorgte für Aufsehen, zumal vorher schon ein Mörder aus ähnlichen Gründen freigelassen werden musste. Die CDU-Landtagsfraktion glaubt, dass Personalmangel die Ursache der Verfahrensverzögerungen ist. Darum sollte sich Justizminister Stefan Ludwig (LINKE) am Dienstag in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses rechtfertigen.

»Ich möchte sagen, dass ich das bedauere«, sagte Ludwig zur Entlassung des Neonazis Schneider. Es tue ihm leid für die Menschen, die sich in Nauen gegen rechts engagieren. Die rot-rote Regierung werde bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht nachlassen, sicherte der Minister zu. Er betonte, dass der Brandstifter der Strafverfolgung keineswegs entgehen werde. »Die Sorge ist unbegründet.« Ludwig sagte auch: »Wir kennen bisher die Urteilsbegründung nicht.« Diese solle am 15. Januar vorgelegt werden. In einer Pressemitteilung habe das Oberlandesgericht seine Entscheidung mit mehreren Prozessverzögerungen begründet. Welche Verzögerungen es genau waren, darüber könne das Justizministerium nicht spekulieren. Darum könne er zu diesem Thema im Moment keine weiteren Ausführungen machen, bedauerte Ludwig. Er übergab das Wort an Klaus-Christoph Clavée, den Präsidenten des Oberlandesgerichts. Es werde getan, als ob der Rechtsstaat zusammenbricht, beschwerte sich Clavée. »Von uns Richtern wird verlangt, dass wir ohne Ansehen der Person urteilen. Darauf haben wir einen Eid geschworen.« Natürlich müssten Verfahrensverzögerungen vermieden werden. Doch die brandenburgischen Landgerichte haben im vergangenen Jahr 315 Verfahren »anstandslos erledigt«, hob Clavée hervor. Mit den Amts- und sonstigen Gerichten seien es 22 000 Verfahren.

Der Minister ergänzte, es habe im vergangenen Jahr bundesweit 50 Fälle gegeben, dass Häftlinge wegen Verfahrensverzögerungen entlassen werden mussten, davon 14 in Sachsen. Dort sei der Rechtsstaat deswegen auch nicht zusammengebrochen. Der Abgeordnete Jan Redmann (CDU) war mit diesen Aussagen nicht zufrieden. Er lieferte sich deswegen auch Wortgefechte mit der Ausschussvorsitzenden Margitta Mächtig (LINKE), der er vorwarf, wie sie die Sitzung leite. Mächtig konterte genervt: »Darauf bin ich stolz.«

Der Abgeordnete Danny Eichelbaum (CDU) erinnerte, dass in den Jahren 2015 und 2016 Richter und Staatsanwälte demonstriert hatten und dass es 2017 eine Protestnote der Gerichtspräsidenten gegeben habe. Zwischen 2012 und 2017 habe Rot-Rot trotzdem noch 238 Stellen an den Gerichten abgebaut. Die CDU fürchtet, dass es zu weiteren Haftentlassungen kommen könnte. Das wäre fatal, wenn Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht. Angeklagte könn᠆ten dann Beweismittel vernichten oder Zeugen unter Druck setzen. Darum wollte die CDU wissen, wie viele Untersuchungshäftlinge im Land gegenwärtig schon länger als ein halbes Jahr einsitzen. Mit der Auskunft konnte der Justizminister nicht dienen.

Im vergangenen Jahr sind 137 Stellen, die ursprünglich wegfallen sollten, für die Neubesetzung freigegeben worden. Im Doppelhaushalt 2019/2020 sind Mittel für zusätzliche Richter eingeplant.

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