Den Öffentlich-Rechtlichen geht es wohl zu gut

ZDF-Intendant Thomas Bellut fordert eine Gebührenerhöhung. Roberto J. De Lapuente fordert erst einmal mehr Transparenz

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

Im letzten Sommer lud mich das Deutschlandradio zu einem Gesprächskreis ein. Neben mir waren drei weitere Teilnehmer und natürlich der Moderator mit von der Partie. Es ging, dies allerdings nur am Rande, um die Ausschreitungen in Chemnitz – eine Sau, die im schnelllebigen Medienbetrieb schon lange aus dem Dorf gescheucht wurde.

Einige Tage später bekam ich einen Anruf, eine Mitarbeiterin des Deutschlandradios meldete sich. Sie sagte mir, man wolle mir gerne Honorar bezahlen. Man würde mir Papiere zukommen lassen, ich sollte sie ausgefüllt an sie faxen. Sie war überaus freundlich. Zwei Tage später hatte ich Post, ich füllte das Formular aus, gab Daten und Kontonummer an und faxte es an den Absender zurück.

Eine Woche danach bekam ich einen weiteren Anruf, wieder war es die nette Mitarbeiterin. Sie fragte, wo denn das Formular abgeblieben sei, ob ich es nicht erhalten hätte. Oha, dachte ich mir da, die machen aber echt ernst, die wollen ihr Geld unbedingt loswerden. So eine offensive Zahlungsmoral erlebt man als freiberuflicher Autor und Blogger eigentlich nicht oft.

Das Fax kam wohl nie an, ich faxte es nochmals, bekam eine Bestätigungsmail und zwei, drei Wochen später war das Geld da. Knapp 380 Euro – so lautet nun mal der festgelegte Honorarrahmen. Und das für am Ende vielleicht 15 oder 20 gesagte Sätze. Häufig kam ich bei der Gesprächsrunde jedenfalls nicht zu Wort.

Daran erinnerte ich mich neulich, als ich den Ausführungen des ZDF-Intendanten Thomas Bellut folgte. Der forderte eine Erhöhung der Gebühren, weil die Qualität sonst nicht gesichert werden könne. Sogar von einer Klage zur Durchsetzung einer Gebührenerhöhung war die Rede. Klar, dachte ich mir zynisch, wenn ihr jedem das Honorar so nachträgt wie mir, braucht ihr wirklich dringend Kohle.

Das ist natürlich Quatsch. Als Freiberufler nehme ich das Geld gerne. Und es ist auch richtig, dass man ordentliche Sätze auszahlt. Aber letztlich ist so eine Honorarauszahlung nur ein Fliegenschiss. Dennoch zeigt die Episode eines durchaus: Schlecht geht es den Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland ganz sicher nicht.

Sparzwang ist dort ein Fremdwort. Das ganze Land hat mit den Auswirkungen dieses Dilemmas zu kämpfen. Nur der gebührenfinanzierte Rundfunk nicht. Er schüttet aus, zahlt gut und – was das eigentliche Problem ist – er subventioniert zu gleich noch die Bundesliga mit.

Im Jahr 2017 haben das ARD und das ZDF zusammen mit Eurosport und Sky 4,64 Milliarden Euro an die Deutsche Fußball Liga (DFL) überwiesen. Die Summe gilt für vier Spielzeiten. Wieviel genau von den Öffentlich-Rechtlichen beigesteuert wurde, ist nicht ganz klar. Transparenz ist nämlich nicht das Steckenpferd des gebührenfinanzierten Fernsehens. Durchaus denkbar, dass da eine Milliarde an Gebührengelder an die Klubs überwiesen wurde. Für die Weltmeisterschaft hat man im letzten Jahr übrigens 218 Millionen Euro extra hingelegt.

An die Gebührenfinanzierung des deutschen Fußballs sollte man übrigens immer dann denken, wenn irgendein Vereinsoberer mal wieder die betriebswirtschaftlich saubere Arbeit deutscher Fußballvereine betont und mit dem Finger auf die Serie A oder die Primera División zeigt. Dort bezahlt die Öffentlichkeit, ja selbst der fußballdesinteressierte Teil der Öffentlichkeit, nicht für die Bilanzen der Vereine.

Fußball wird bei den Öffentlich-Rechtlichen wie ein Grundrecht behandelt, für das man einfach bezahlen muss. Warum setzt man nicht da an, zieht sich aus diesem Markt heraus, der Jahr für Jahr unbezahlbarer wird? Und wo ist eigentlich die Transparenz? Als Gebührenzahler wüsste ich zum Beispiel schon gerne, was man durch den Verkauf öffentlich-rechtlicher Serien und Filme an Amazon Prime und Netflix einnimmt. Oder warum im Programm dieser Sender immer dieselben Prominenten von Sendung A nach Sendung B geschoben werden? Dieser spielshowaffine Promi-Mikrokosmos, der Gebühren verschlingt - muss das sein? Und was haben diese Sendeformate denn bitte mit Qualität zu tun? Jeder Kindergeburtstag ist anspruchsvoller geplant.

Bevor Bellut mehr Geld fordert, gäbe es genug Baustellen – kein Wunder, dass manche im Land finden, dass die an sich gute Idee der Gebührenfinanzierung nichts als eine Zwangsabgabe ist. Und verwunderlich ist übrigens auch nicht, dass Wolfgang Bosbach so gerne und häufig in Talkshows eilt. Nachdem ich gesehen habe, wie fürstlich die Honorare für lausige 45 Minuten sein können, ist mir klargeworden, dass sich das intensiv ausgeübt, durchaus lohnen kann als zweites Standbein für einen an und für sich zweitrangigen Hinterbänkler.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Mehr aus: Der Heppenheimer Hiob