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Die Sozialisten wollen weiter regieren

Linkspartei stellt im Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Wildau ihre Landesliste für die Landtagswahl auf

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Ihr kleiner Sohn hat Anja Mayer gefragt, warum sie nie frei habe wie andere Eltern. Doch der Sechsjährige beantwortete sich die Frage selbst: »Du machst das, damit es den Menschen gut geht. Das finde ich richtig.« Mayer ist LINKE-Landesvorsitzende in Brandenburg. Am Sonnabend hat sie wieder nicht frei. Ihr Sohn ist mit seinem Vater unterwegs, der zur Bundesvorstandssitzung nach Berlin musste. Anja Mayer sitzt im Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Wildau. Dort nominieren in einem schlauchartigen Saal 111 Delegierte die Landesliste der Linkspartei für die Landtagswahl am 1. September 2019.

»Die gute Nachricht vorweg: Wir sind in den Umfragen stabil«, sagt Mayer. »Aber das kann uns nicht genügen.« Die LINKE wolle gestärkt aus der Wahl hervorgehen. »Das ist nicht einfach, aber machbar.« Mayer erklärt auch noch: »Wir sind eine unglaublich reiche Gesellschaft. Das Boot ist nicht voll. Wir brauchen Zuzug.« Geflüchtete seien »Menschen wir wir«. Es sei wie im Kindergarten. »Lernen wir zu teilen.«

Die Liste

1. Kathrin Dannenberg, 89 Prozent 2. Sebastian Walter, 87 Prozent 3. Bettina Fortunato, 78 Prozent 4. Christian Görke, 76 Prozent 5. Andrea Johlige, 76 Prozent 6. Thomas Domres, 92 Prozent 7. Isabelle Vandré, 80 Prozent 8. Ronny Kretschmer, 54 Prozent 9. Marlen Block, 56 Prozent 10. Andreas Büttner, 82 Prozent 11. Anke Schwarzenberg, 61 Prozent 12. Carsten Preuß, 55 Prozent 13. Franziska Schneider, 54 Prozent 14. Stefan Ludwig, 51 Prozent 15. Monika von der Lippe, 71 Proz. 16. Marco Büchel, 67 Prozent 17. Claudia Sprengel, 62 Prozent 18. Marco Pavlik, 48 Prozent 19. Diana Bader, 51 Prozent 20. Andreas Bernig, 57 Prozent 21. Anne-Frieda Reinke 22. Vadim Reimer 23. Tina Lange 24. Gregor Weiß 25. Birgit Kaufhold 26. Mirko Böhnisch 27. Monika Förster 28. Dieter Groß 29. Astrit Böger 30. Silvio Pape 31. Elke Bär 32. Aaron Birnbaum 33. Isabelle Czok-Alm 34. Felix Their 35. Claudia Mollenschott 36. Alexander Klotzovski 37. Kerstin Berbig 38. Andreas Kutsche 39. Heike Heise-Heiland 40. Jörg Schönberg

Das Teilen wird dann beim Mittagessen geübt. Besserverdienende wie der Landtagsabgeordnete Marco Büchel und Justizminister Stefan Ludwig zahlen für ihre Mahlzeit 13 Euro, sodass Genossen mit geringem Einkommen ein Essen für 8 Euro angeboten werden kann.

Als Spitzenkandidatenduo gewählt werden noch am Vormittag die 52-jährige Kathrin Dannenberg und der 28-jährige Sebastian Walter. Die Besetzung der weiteren Listenplätze dauert bis Sonntagnachmittag. Die Plätze 21 bis 40 werden in einem Rangziffernverfahren besetzt (deswegen fehlen rechts in der Tabelle Prozentangaben).

»Wir wollen weiter regieren«, sagt Walter. Mit wem, das sagt er nicht. Auch Dannenberg vermeidet ganz bewusst eine Koalitionsaussage. Mit der AfD will die LINKE natürlich nichts zu tun haben. Die gehöre in die »Mottenkiste der Geschichte«, findet Walter. Aber sonst hält sich seine Partei alle Optionen offen.

Mit ihrem Koalitionspartner SPD hat die LINKE gerade Streit, weil Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) unabgestimmt das Personal des Verfassungsschutzes aufstocken will. Kathrin Dannenberg wünscht sich genervt, der Minister möge in Rente gehen. Sie resümiert kurz die reichlich neun Jahre Rot-Rot in Brandenburg, von denen sie rund viereinhalb als Landtagsabgeordnete mitgemacht hat. »Manches ist nicht so gelaufen, wie wir es wollten«, bedauert Dannenberg, die von Beruf Sport- und Geschichtslehrerin ist. Aber die LINKE könne selbstbewusst sein. Immerhin gebe es inzwischen mehr als 200 Gemeinschaftsschulen im Land, an denen alle Schüler zusammen von der 1. bis mindestens zur 10. Klasse lernen, manche dort auch noch Abitur machen. Für solche Schulen hatte sich die LINKE eingesetzt, weil sie es falsch findet, dass in Brandenburg in der Regel zum Ende der Grundschule in der 6. Klasse für das Gymnasium aussortiert wird. Dannenberg beschränkt sich in ihrer Rede jedoch nicht auf die Bildungspolitik. Sie leitet von dort über zu sozialen Fragen. Manche Kinder kämen ohne Frühstück und ohne eine warme Winterjacke zur Schule. Als Lehrerin habe Dannenberg das mit ansehen müssen. »Wenn du alleinerziehend bist, dann lebst du möglicherweise in Armut. Das ist doch Scheiße! Das dürfen wir nicht hinnehmen«, ruft die 52-Jährige.

Auch der Gewerkschaftsfunktionär Sebastian Walter spricht von sozialer Not. In seiner Tätigkeit habe er die Callcenter-Mitarbeiterin kennengelernt, die die Klassenfahrt ihres Sohnes nicht bezahlen könne, und den Handwerksgesellen und die Rentnerin, die nicht wüssten, wie sie die Reparatur des Autos beziehungsweise die Miete bezahlen sollen - Menschen, die sich kaum noch trauen, den Briefkasten zu öffnen, weil Rechnungen drin sein könnten.

Walter hat an die DDR keine Erinnerung. Als dieses Land an die Bundesrepublik angeschlossen wurde, war er noch ein Säugling. Aber dass die Löhne und Renten laut Einigungsvertrag bereits 1995 ans Westniveau angeglichen sein sollten und es bis heute nicht sind, das weiß Walter. »Es werden Westpreise genommen, aber Ostlöhne gezahlt«, kritisiert er. Ihm schwebt eine Privatisierungsbremse vor. Öffentliches Eigentum soll nicht höchstbietend verkauft werden. Und solcherlei Pläne möchte Walter nicht unter einen Finanzierungsvorbehalt stellen lassen. Wenn ein Prozent der Bevölkerung 87 Prozent des Reichtums besitzt, dann sei doch genug Geld da, nur nicht richtig verteilt.

Bis einschließlich Listenplatz sieben werden die Kandidaten in Wildau jeweils ohne Mitbewerber so nominiert, wie vom Landesvorstand vorgeschlagen. Zur ersten Kampfabstimmung kommt es bei Listenplatz acht: Schatzmeister Ronny Kretschmer setzt sich knapp gegen den Landtagsabgeordneten Matthias Loehr durch. Loehr steckt danach auf und versucht es gar nicht mehr.

Das Rennen um Platz neun gewinnt Marlen Block gegen die vom Landesvorstand favorisierte Franziska Schneider. Als Volkmar Schöneburg noch brandenburgischer Justizminister war, arbeitete Franziska Schneider als seine Pressereferentin, und die Rechtsanwältin Marlen Block hatte Schöneburg in dieser Zeit in seiner Anwaltskanzlei vertreten. Der aktuelle Justizminister Stefan Ludwig scheitert mit seiner Bewerbung auf Platz 12, bekommt dann aber für ihn selbst unerwartet Platz 14.

Das beste Ergebnis erzielt erwartungsgemäß Thomas Domres - erwartungsgemäß, weil der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag schon seit Jahren stets Spitzenergebnisse erzielt. Mit 92 Prozent hat er nun seinen Titel »Liebling der Partei« verteidigt, wie Tagungsleiter René Wilke es formuliert.

Die LINKE war bei der Landtagswahl 2014 von 27,2 auf 18,6 Prozent abgestürzt. Im Moment liegt sie in den Umfragen bei 17 bis 18 Prozent - und damit dicht hinter SPD, AfD und CDU. »Alles ist möglich, auch für uns«, sagt Spitzenkandidat Sebastian Walter. Gegenwärtig sitzen 17 Sozialisten im Landtag.

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