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Vom Osten abgehängt
SPD besinnt sich einstiger hehrer Absichten, die CDU findet trotzdem mehr Punkte für ein Ostprogramm
Ein Unterscheidungsmerkmal hat die SPD schon mal auf ihrer Seite. Sie hat die schöneren Debatten über ihr Ostkonzept geführt. Am Wochenende trafen sich Vertreter der Ost-SPD in Schwante, um eigene Vorschläge zu beschließen - darüber, was im Osten unternommen werden sollte, um der Partei aus der Patsche zu helfen. Und vielleicht bei der Gelegenheit das Gleiche auch für die enttäuschten Wähler zu tun, die man in den vergangenen Jahren systematisch gerade hier im Osten vor den Kopf gestoßen hat. Schwante ist ein Nostalgieort der sozialdemokratischen Parteielite Ost. Hier wurde vor 30 Jahren die SDP gegründet, die ostdeutsche Variante der SPD. Hier war man klandestin, aber voller Euphorie in die Einheit gestartet, an seiner Seite die majestätische Partei Willy Brandts wissend. Da konnte nur alles gut werden. Doch im Osten wurde eigentlich nichts so richtig gut, wenn man es mit den Augen eines Sozialdemokraten betrachtet.
Deshalb hat es nun offenbar Klick gemacht. Die SPD hat unter dem existenziellen Druck der Wahlergebnisse und mit den nächsten ostdeutschen Landtagswahlen vor Augen durchaus ein Gefühl für ihren Nachholbedarf in ihrer Sozialpolitik, und das vor allem im Osten. Nachdem Parteichefin Andrea Nahles Mitte November mit der überraschenden Feststellung aufgewartet hatte, Deutschland müsse Hartz IV «hinter sich lassen», stellte sie nun am Montag - gemeinsam mit den Spitzenkandidaten zur Landtagswahl in Sachsen, Martin Dulig, Brandenburg, Dietmar Woidke, und Thüringen, Wolfgang Tiefensee - ein Konzept für den Osten vor, in dem das Soziale eine große Rolle spielt. Im Osten ist der Anteil an Bedürftigen besonders hoch, hier ist die Enttäuschung seit dem Anschluss der DDR an die BRD besonders nachhaltig, hier ist die AfD besonders erfolgreich.
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Ganz ähnlich dürften die Überlegungen bei der CDU sein, die ebenfalls am Montag ein Konzept zur Entwicklung des Ostens in 21 Punkten vorstellte. Damit ist sie der SPD um neun Punkte voraus; gleichwohl beließ es Paul Ziemiak, der neue Generalsekretär der CDU, bei der bereits im Grundgesetz verankerten Aufgabenstellung, die auch in den letzten 30 Jahren galt und letztlich nicht erreicht wurde: nämlich gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West herzustellen. Das CDU-Konzept legt Wert auf den kleinen, aber feinen Unterschied, es gehe nicht um gleiche Lebensverhältnisse - sondern eben um gleichwertige. «Den entsprechenden Handlungsbedarf soll eine von Bund, Ländern und Kommunen im September 2018 gebildete »Gemeinsame Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse« ermitteln. Damit vertagt die CDU konkrete Entscheidungen, die über den Koalitionsvertrag der Großen Koalition hinausgehen könnten, trotz gewichtiger Worte sicherheitshalber auf eine unbestimmte Zukunft.
Die SPD gibt sich in ihren 12 Punkten, in die die Vorschläge ihrer Osteliten aus Schwante eingeflossen sind, ein Stück kämpferischer. Sie will »endlich gleichwertige Lebensverhältnisse«. Doch letztlich kann auch die Regierungspartei SPD nicht über den Schatten des Koalitionsvertrages springen und versucht sich an eher allgemeinen Absichtsbekundungen: »30 Jahre nach dem Mauerfall ist es nicht akzeptabel, dass die meisten Ostdeutschen länger arbeiten als ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen, aber im Schnitt 15 Prozent weniger bekommen. Wir brauchen die Angleichung der Löhne in Ost und West.« Löhne werden bekanntlich in Tarifverhandlungen ausgeboxt; die SPD hat hierbei nur einen relativ geringen Einfluss. Immerhin bekennt sich die SPD zur Anhebung des Mindestlohnes auf »perspektivisch« 12 Euro und zu einer »Mindestausbildungsvergütung, die ihren Namen verdient«.
So etwas sucht man bei der CDU vergeblich, deren Thüringer Spitzenkandidat zur Landtagswahl im Oktober, der federführend an dem Konzept für seine Partei beteiligt war, am Montag in der Parteizentrale in Berlin formulierte: Nach 30 Jahren »bewundernswertem Entwicklungsprozess« im Osten bestünden Unterschiede zum Westen gleichwohl fort, sagte Mike Mohring. Der Aufholprozess sei »zum Stagnieren gekommen«.
Immerhin gibt es Stichworte, die in den Konzepten beider Parteien auftauchen und damit wenigstens in den Radius dessen rücken, was man in dieser Legislatur noch gemeinsam zu praktischer Politik machen könnte. Den Ausbau der Breitbandnetze etwa. Oder auch die Rente. Doch hier stehen die Details völlig in den Sternen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) arbeitet an einem Plan, der allenthalben mit Spannung erwartet wird. Immerhin haben die Koalitionspartner SPD und Union bereits im Regierungsprogramm vereinbart, Geringverdiener bei der Rente besserzustellen. Doch wie genau das aussehen könnte, bleibt vorerst offen. Zuletzt hatte man gemeinsam erst die Angleichung der Renten im Osten beschlossen, dafür aber die Höherstufung der im Osten niedrigen Löhne und Gehälter in der Rentenberechnung beendet.
Andrea Nahles selbst, befragt nach den Unterschieden des SPD-Programms zum Ostkonzept der CDU, nannte am Montag dennoch die Grundrente der CDU. »Ob das wirklich dasselbe ist, da mache ich ein kleines Fragezeichen.« Überdies sieht Nahles große Unterschiede in den Forderungen nach höheren Löhnen, zur Pflege ... Hier bleibe die Union »ohne klare Aussagen«.
Es gibt weitere Gemeinsamkeiten. Immer wieder wird seit Langem und diesmal auch in den Konzepten beider Parteien die Forderung erhoben, dem Osten mit mehr Bundesbehörden neue Impulse zu verleihen, neue Forschungseinrichtungen anzusiedeln. Sozial Abgehängte werden hierauf eher die Schultern zucken; für die Entwicklung regionaler Strukturen sind solche Institutionen sicher hilfreich. Sonst wären sie nicht in den vergangenen Jahren trotz gegenteiliger Absichtsbekundungen immer wieder im Westen statt im Osten angesiedelt worden.
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