Donnerstags gehts gegen Schwarz-Blau

Bereits zum 14. Mal wird in Österreich gegen die rechte Regierung protestiert

  • Johannes Greß, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.

Taucht der 8. Wiener Gemeindebezirk, die Josefstadt, in den Medien auf, dann für gewöhnlich in Form von Reise- und Restauranttipps. Kleine verwinkelte Gässchen, meist aus Kopfsteinpflaster, durchziehen den kleinsten der 23 Bezirke Wiens. Dazwischen liebliche Cafés, einladende Restaurants, schmucke Läden. Ein Bezirk, in dem die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Ein Bezirk, den man vorzeigt, wenn die Eltern zu Besuch sind. Und ein Bezirk, der so viele Burschenschaften beheimatet wie kein anderes Fleckchen Erde in Österreich. Männerbünde, denen rund 40 Prozent der Parlamentsabgeordneten der Regierungspartei FPÖ entstammen. Männerbünde, die in Teilen der extremen Rechten zugeordnet werden.

Nicht jedem in diesem Land passt das. Nicht nur, dass Parlamentsabgeordnete stramm rechten Burschenschaften entstammen, sondern dass seit dem Regierungsantritt von ÖVP und FPÖ rigoros von unten nach oben umverteilt wird; dass FPÖ-Innenminister Herbert Kickl mittlerweile offen den Rechtsstaat infrage stellt; dass Medien drangsaliert werden und der Islam unter kräftiger Mithilfe beider Regierungsparteien zum Inbegriff des Bösen avancierte. Grund genug für rund 2000 Menschen, sich an einem Donnerstagabend im Januar vor der Universität Wien zu versammeln. Seit Anfang Oktober formiert sich Protest in der österreichischen Landeshauptstadt und in diversen anderen Städten der Alpenrepublik. Protest gegen eine Regierung, die nach Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Wochentakt rote Linien überschreitet. Treffpunkt und Route der »Donnerstagsdemos« sind von Mal zu Mal verschieden, Tag und Uhrzeit aber immer gleich: Jeden Donnerstag, 18 Uhr. Mittlerweile zum 14. Mal.

Dieses Mal auf dem Programm: Eine Sightseeingtour der besonderen Art, der »Budenbummel« durch die sonst so friedfertig daherkommende Josefstadt. Um der »Creme de la Creme des Rechtsextremismus«, wie es vom Veranstalter heißt, mal einen Besuch abzustatten. Das Thermometer zeigt an diesem Abend knapp drei Grad unter dem Gefrierpunkt, es ist kalt und dunkel. In Summe nicht gerade das, was einer als »schönstes Ausflugswetter« bezeichnen mag. »Es ist kalt - aber wir sind trotzdem hier!«, dröhnt es von der mobilen Bühne in die Menschenmenge - »und egal wie kalt es ist, wir werden hier jeden Donnerstag stehen!«.

Die wöchentlich abgehaltenen Proteste gelten als eine Art Revival der Demos aus den 2000er Jahren. Auch damals wurde Österreich von einer Koalition aus ÖVP und FPÖ regiert, auch damals wurde der Donnerstag zum Demotag. Prominente Unterstützung erhielt die Protestbewegung unlängst vom Globalisierungskritiker Jean Ziegler. In einem Gastbeitrag in der österreichischen Tageszeitung »Der Standard« sicherte er den Demonstrationen seine »totale Solidarität« zu: »Ich bewundere ihre Vitalität, den Mut und die revolutionäre Geduld der Donnerstagsdemonstrantinnen und -demonstranten. Ihre Aktion ist beispielhaft für ganz Europa. Sie sind die Ehre Österreichs.«

Hört man sich im Demozug um, klingt das oftmals etwas nüchterner. »Es ist halt einfach Österreich«, beschreibt etwa Markus Reitmeier die Situation eher trocken. Soll heißen: Schon schlimm, aber hierzulande auch nicht wirklich überraschend. Eigentlich, so erklärt der Lehramtsstudent, habe er sich von Demos bisher ferngehalten, »aber die jüngsten Aussagen des Innenministers … damit hat er den Bogen überspannt«. Bessere Stimmung herrscht etwas weiter hinten im Zug. Jonas Holl ist einer derjenigen, der sich im Laufe der letzten Donnerstage wohl die meisten Freunde gemacht hat. »Wir haben uns gedacht, dass der Winter für die Donnerstagsdemos wahrscheinlich eine schwierige Zeit werden könnte«, erklärt der Politikwissenschaftsstudent. Um die Leute trotzdem bei der Stange zu halten, musste also etwas her: »Da war Punsch die logischste Lösung«, schmunzelt Holl. Seither verkaufen er und seine Freunde rund 70 Liter Alkoholisches pro Donnerstag, transportiert auf einem umgebauten Fahrrad mit Ladefläche. Ihre Erlöse spenden sie an die Organisatoren.

Die Menschenmenge, mit 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieses Mal deutlich weniger als in den Wochen zuvor, schlängelt sich durch die Josefstadt und klappert eine »Burschenbude« nach der anderen ab. Von einem kleinen Wagen aus wird dann der neueste »Gossip« über die jeweilige Burschenschaft verkündet. Also wer hier wem irgendwelche Posten zuschiebt, wer sich hier wie mit menschenfeindlichen und rassistischem Verhalten selbst diskreditiert - und trotzdem lukrative Jobs in den höchsten Ebenen der österreichischen Politik innehat. Das alles unter dem Beisein der Bewohner der Verbindungshäuser, die meist mit einem etwas abschätzigen Lächeln aus ihren Fenstern winken oder die Szenerie mit ihrem Smartphone filmen, das sie schutzschildartig vor ihre Gesichter halten. Die lautstarken »Nazis raus!«-Rufe vor ihren Fenstern scheinen sie nur wenig aus der Fassung zu bringen. Der Protestsong »Eure Kinder werden so wie wir - eure Kinder werden alle queer« vielleicht schon eher. Man weiß es nicht.

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