Die Schlacht der Erzählungen

Bei der Debatte um Trumps Rede standen zwei Sichtweisen zur USA einander gegenüber

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Er will Kooperation und Zusammenarbeit, aber nur zu seinen Bedingungen. So könnte man das zusammenfassen, was Donald Trump in seiner Rede zur Lage der Nation Mittwochmorgen deutscher Zeit erzählt hat. Der US-Präsident appellierte zu Beginn seiner, etwas länger als eine Stunde dauernden Rede an die parteiübergreifende Zusammenarbeit, inszenierte sich als Vater der Nation. Er tat dabei genau das, was von einem US-Präsidenten bei dieser jährlichen Rede erwartet wird, die Kritiker als Anachronismus bezeichnen. Doch schon nach wenigen Minuten ging die Beschreibung einer Periode des Job- und Wirtschaftswachstums in den USA, die tatsächlich auch mit der Trump-Präsidentschaft zusammenfällt, über in das, was Fernsehmoderatorin Joy Reid später als »Wahlkampfrede« bezeichnete. Die hinter Trump sitzende Repräsentantenhaussprecherin Nancy Pelosi beendete deswegen das höfliche Klatschen und lächelte nur noch hin und wieder gequält, als Trump anfing, die gute Wirtschaftslage nur sich selbst zuzuschreiben.

Inhaltlich wiederholte Trump bekannte Positionen: Seine Unterstützung für Venezuelas selbsterklärten neuen »Präsidenten« Juan Guaidó, ein hartes Vorgehen gegen Iran, eine Truppenreduzierung in Afghanistan und seinen Willen, weiter mit Nordkorea über nukleare Abrüstung zu verhandeln. Trump warnte - wie bereits in den letzten Monaten und Jahren - weiterhin drastisch vor vermeintlich kriminellen Migranten und will immer noch eine Grenzmauer, denn: »Mauern funktionieren, sie retten Leben«. Was noch nicht bekannt war: Ende Februar will sich Trump erneut mit Kim Jong Un treffen. Es gab auch beinahe komische Momente: Trump kommentierte die Publikumsreaktion, etwa die beinahe rowdyhafte Reaktion der Demokratinnen bei seiner Erwähnung der Fortschritte amerikanischer Frauen. Und er erklärte, scheinbar in Reaktion auf den weiterhin hohen Einfluss des demokratischen Sozialisten Bernie Sanders und den des neuen linken Demokratenstars Alexandria Ocasio-Cortez sowie auf aktuelle Umfragen, die Mehrheiten für eine stärkere Besteuerung von Amerikas Reichen sehen: »Heute Abend erklären wir erneut unsere Entschlossenheit, dass Amerika niemals ein sozialistisches Land sein wird.« Er selbst sah »Versuche«, einen solchen einzuführen.

Bei der Rede zur Lage der Nation geht es aber immer auch um Symbolpolitik. Donald Trump hatte Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg und einen Astronauten mitgebracht, um die Größe Amerikas zu zeigen. Die Kongressabgeordnete Ocasio-Cortez hingegen hatte Anna Maria Archila mitgebracht. Sie hatte den republikanischen Senator Jeff Flake wegen dessen Zustimmung zum wegen Vorwürfen sexueller Gewalt kritisierten neuen Supreme-Court-Richter Brett Kavanaugh öfffentlich konfrontiert. Zudem trug Ocasio-Cortez einen Button mit dem Foto von Jakelin Caal, dem neunjährigen guatemaltekischen Mädchen, das vor anderthalb Monaten in der Haft von US-Grenzschützern gestorben war. Alle demokratischen Frauen waren in Gedenken an 100 Jahre Frauenwahlrecht und die Suffragettenbewegung in weißen Kostümen erschienen.

Die offizielle Antwortrede der Demokraten wurde von Stacey Abrams gehalten - eine Personalie mit Symbolkraft. Nur 1,4 Prozentpunkte trennten die schwarze Demokratin und Anwältin im November vergangenen Jahres vom Sieg bei den Gouverneurswahlen im eher konservativen Südstaat Georgia. »Zusammen werden wir ein besseres Amerika aufbauen«, doch: »Wählerunterdrückung ist real«, so Abrams, die jahrelang als Aktivistin gegen solche und aktuelle Versuche in ihrem Heimatstaat gekämpft hat. Sie beschrieb die Vision der Demokraten: mehr Lohn für Arbeiter und stärkere Gewerkschaftsrechte, Anerkennung der Vielfalt im Land, menschliche Behandlung von Migranten - letzteres auch unter Rückgriff auf Ronald Reagan. »Amerika stolpert immer wieder auf seinem Weg zu Gerechtigkeit und Gleichheit, aber mit jeder Generation haben wir auch Fortschritte gemacht«, so Abrams. Die Demokratin beklagte in ihrer Rede, die Lohnentwicklung im Land halte nicht mit den Lebenshaltungskosten Schritt. »Zu viele« Menschen würden nicht vom Wirtschaftsaufschwung profitieren und müssten von »Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck« leben.

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