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  • Videoüberwachung in Berlin

Ein Gefühl der Sicherheit

Videoüberwachung sorgt vor allem für ein besseres Gefühl

  • Christian Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) und seine Partei wollen das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) erneuern. Der Landesvorstand der LINKEN sprach sich jedoch jüngst einstimmig gegen jegliche Verschärfung aus: »Als R2G sollten wir beim ASOG ein Gegenmodell zu den bundesweiten Verschärfungen der Polizeigesetze schaffen«, sagt Niklas Schrader, Innenpolitischer Sprecher der LINKEN.

Der Beschluss erteilt auch der Ausweitung von Videoüberwachung eine klare Absage. Diese ist zwar nicht Teil der ASOG-Verhandlungen, doch der Ruf danach ist vielstimmig. Erst im November hat sich der Landesparteitag der SPD für »die Einführung der Videoüberwachung an ausgewählten kriminalitätsbelasteten Orten« ausgesprochen. Der Vorstoß ist nur im Kontext des Volksbegehrens für mehr Videoüberwachung zu verstehen: Der vorliegende Gesetzesentwurf der Initiatoren sieht vor, etwa 1000 zusätzliche Kameras zu installieren. Diese sollen dann auch Orte beobachten, »an denen sich gewöhnlich große Menschenansammlungen befinden«. Im Volksbegehren ist auch von Tonaufzeichnungen die Rede. Initiiert unter anderem von Neuköllns ehemaligem Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), wird es von Polizeigewerkschaften und der Berliner CDU unterstützt.

Nachdem im Februar vergangenen Jahres die erforderlichen 20 000 Unterschriften eingereicht worden waren, landete der Gesetzesvorschlag vor dem Verfassungsgericht, weil der Senat erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Entwurfs hatte. Die Antwort steht noch aus. Ein Gutachten von Strafrechtsprofessor Fredrik Roggan im Auftrag der Linkspartei kommt zu dem Ergebnis, dass weite Teile des Vorschlags rechtswidrig sind. Schrader geht davon aus, dass das Verfassungsgericht zu einem ähnlichen Urteil kommen wird. »Ob den Initiatoren dennoch ein Nachbesserungsrecht eingeräumt wird, ohne dass erneut die Unterschriften für die erste Stufe des Volksbegehrens gesammelt werden müssen, ist offen«, meint er.

Jenseits der Rechtslage werden Sinn und Zweck von Videoüberwachung von Experten auch kritisch betrachtet. Ein Gutachten zur polizeilichen Videobeobachtung in Nordrhein-Westfalen kommt zu uneindeutigen Ergebnissen: Zwar nahm Straßenkriminalität geringfügig ab, der Einfluss der Kameras ist dabei jedoch ungeklärt. Auch was die Verbrechensaufklärung betrifft, war Videoüberwachung zwar nicht völlig nutzlos, hatte aber »nur relativ geringen Effekt«, so die Studie weiter. Damit reiht sie sich in eine lange Reihe vergleichbarer Untersuchungen ein. Einige Punkte lassen sich daraus zusammenfassen: In begrenzten Räumen (zum Beispiel Parkhäusern) kann Videoüberwachung Kriminalität mitunter senken, doch ein allgemeiner kriminalitätsreduzierender Effekt konnte bisher nicht belegt werden. Für urbane öffentliche Plätze zeigt die Auswertung der Videoüberwachung unterschiedliche Ergebnisse - der Erfolg wird dabei entscheidend durch flankierende Maßnahmen wie Beleuchtung oder Sicherheitspersonal vor Ort bestimmt. Viele Studien verweisen jedoch auf ein Risiko der Verlagerung von Kriminalität in benachbarte Gebiete und die Verdrängung von sozialen Randgruppen und abweichendem Verhalten. Dieser Effekt kann auch die Arbeit von Streetworkern erschweren.

Doch die Kameras scheinen in der Bevölkerung ein Sicherheitsgefühl auszulösen. Neben Innenpolitikern und Polizeibeamten hat auch die Mehrheit der Berliner kein Problem mit mehr Überwachungskameras. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der »Berliner Zeitung« von Dezember halten 83 Prozent der Befragten Kameras auf zentralen Plätzen oder im ÖPNV für richtig.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann, ebenfalls einer der Initiatoren des Volksbegehrens, zeigt sich von den Studien unbeeindruckt. Er verweist auf den neuen Charakter des geplanten Kameraeinsatzes. »Was wir vorhaben, gab es noch nicht. Es ist ein weltweit neues Konzept mit automatischer Vorsortierung durch künstliche Intelligenz und automatischem Notruf«, so Heilmann. Dabei gehe es um Mustererkennung, nicht um Gesichtserkennung, an Orten, an denen es überdurchschnittlich viel Kriminalität gibt. Meldet die Software eine Schlägerei, erhält die Polizei ein Signal, kann sich am Bildschirm selbst einen Eindruck verschaffen und gegebenenfalls eingreifen. Das gefilmte Material soll einen Monat lang gespeichert werden. Der Ansatz sei aus Perspektive des Datenschutzes sogar zu begrüßen, die aktuelle Aufregung sei »Hetzerei, die nur Täter schützt«, meint Heilmann. Die Berliner Datenschutzbeauftragte sieht das anders: Der Verweis auf digitale Vorfilterung verkenne, »dass bereits die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen«, so ein Schreiben aus dem vergangenen Jahr zum Gesetzesentwurf.

Laut Forsa-Studie finden nur 13 Prozent der Befragten, dass Videoüberwachung zu sehr in ihre Privatsphäre eingreife. Dem gegenüber stehen 43 Prozent, die sich an überwachten Orten sicherer fühlen. Der Einfluss auf das subjektive Sicherheitsgefühl ist damit um ein Vielfaches höher als der auf die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung. Kriminologe Tobias Singelnstein sagt in einem Interview mit »Rosalux2«, dass subjektive und objektive Sicherheit nicht viel miteinander zu tun haben müssen. Auch eine britische Studie hielt fest, der Glaube, Kameraüberwachung könne komplexe soziale Probleme lösen, sei unrealistisch. Das dürfte in Berlin nicht anders sein.

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