Kein Kommerz mit dem Widerstand

Ein Immobilienprojekt sollte den Familiennamen von Hans Coppi tragen - das ist abgeblasen

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 4 Min.

Kürzlich hatten Berichte die Runde gemacht, wonach der niederländische Investor Hendrik van Caem einen auf 11.000 Quadratmetern geplanten Gewerbepark in Lichtenberg «Coppi-Park» taufen möchte. Sie haben dagegen protestiert, dass Ihr Familienname, der eng mit Ihren Eltern und damit zwei Widerstandskämpfern verbunden ist, für das Vorhaben genutzt wird. Warum?

Ich bin von den Absichten des Investors völlig überrascht worden. Dass dieses Investprojekt den Namen meiner Eltern tragen sollte, habe ich erst aus dem «Spiegel» und aus Zeitungen erfahren. Ich fand es ziemlich übergriffig und respektlos, dass man mich als unmittelbaren Nachkommen von Hans und Hilde Coppi im Vorfeld zu dieser Namensgebung nicht konsultiert hatte. Ich möchte nicht, dass der Name meiner Familie zu kommerziellen Zwecken benutzt und vielleicht auch missbraucht wird. Der Investor plant, auf dem Grundstück mehr als 3000 Büros zu bauen. Ich konnte nicht nachvollziehen, warum die Namen von zwei ermordeten Widerstandskämpfern einen modernen Bürokomplex schmücken sollten.

Auf der Internetseite des «Van Caem Projects» stellt der Immobilieninvestor sein Projekt mit Fotos und Informationen vor. Dort läuft das Bauvorhaben inzwischen unter dem Namen «Van Caem Park». Ist die Idee des «Coppi-Parks» damit vom Tisch?

Definitiv. Herr van Caem ist danach auf mich zugekommen und hat mir versichert, dass er die Bezeichnung «Coppi-Park» auf meinen Wunsch hin nicht weiterverwenden wird. Er hat sich auch bei mir entschuldigt. Mit dieser Geste kann ich gut leben.

Haben Sie denn eine Idee, was sich der Investor bei dem Namen «Coppi-Park» ursprünglich gedacht hatte?

Ich habe wirklich keine Ahnung, wie diese Namenswahl zustande kam. Der geplante Bürokomplex in Lichtenberg liegt mit seiner schmalsten Seite an der Coppistraße. Womöglich fand der Investor den Namen kurz und wohlklingend.

Das Lichtenberger Bezirksamt hatte die Vermarktung des Bauvorhabens als «Coppi-Park» ebenfalls kritisch gesehen. Kann es sein, dass die Politik auf den Investor eingewirkt hat, damit dieser einen anderen Namen wählt?

Ja, das ist gut möglich. Das Bezirksamt führt das Investvorhaben unter dem Titel «Gewerbepark Buchberger Straße». An diese Straße grenzt der größte Teil des künftigen «Van Caem Parks». Ich hatte den Eindruck, das Bezirksamt teilte mein Anliegen.

Hätten Sie im Zweifel gegen den «Coppi-Park» geklagt?

Auf jeden Fall. Ich hätte das so nicht stehen lassen können. Eine Klage hätte den ganzen Sachverhalt noch stärker in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. An den Widerstand gegen das Naziregime und die Verfolgung von Hans und Hilde Coppi und ihrer Mitstreiter zu erinnern, empfinde ich als eine mir hinterlassene Aufgabe. Deshalb sehe ich es auch als meine Pflicht an, meine Eltern vor einer beliebigen und damit missbräuchlichen Verwendung ihrer Namen zu schützen.

In Berlin-Lichtenberg gibt es eine Coppistraße, in Berlin-Karlshorst steht das «Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium», und auch in anderen Städten wie Leipzig, Gera, Görlitz, Eberswalde oder Sindelfingen sind Straßen und Plätzen nach Ihren Eltern benannt. Was bedeutet es für Sie heute, dass öffentliche Orte Ihren Familientragen tragen?

Ich erachte es als sehr wichtig, dass Straßen, Plätze, Schulen und andere Einrichtungen nach Gegnern und Verfolgten des Naziregimes benannt werden. Das ist Ausdruck einer gewachsenen vielfältigen Erinnerungskultur, die sich mit der Nazi-Vergangenheit auseinandersetzt. Als bedrohlich nehme ich die Versuche aus den Reihen der AfD wahr, das Gedenken und Erinnern an die Verbrechen des Naziregimes zu relativieren und die in Jahrzehnten entstandene Erinnerungskultur infrage zu stellen, um sie schließlich abzuschaffen. Geschichtsbewusstsein benötigt das Wissen um das Geschehene und den vergleichenden Blick auf das Heute. Die verblüffende Aktualität historischer Erfahrungen sollte Ausgangspunkt für Gespräche und für Aktionen in breiten Bündnissen gegen den Rechtsnationalismus werden.

Sie gehen auch in Schulen, um mit der jungen Generation über Ihre Eltern und deren Mitstreiter in der «Roten Kapelle» zu sprechen.

Dies ist ein mir wichtiges Anliegen. Um den 27. Januar 2019, den Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, hatte ich interessante Gespräche an Gymnasien in Hoyerswerda und Duisburg. Im vorigen Jahr habe ich gemeinsam mit zwei Lehrerinnen des Coppi-Gymnasiums und der Mildred-Harnack-Schule eine Broschüre zu den Namensträgern der Straßen im Wohngebiet Frankfurter Allee-Süd in Berlin-Lichtenberg herausgegeben. Autorinnen und Autoren der kreativen und deshalb unterschiedlichen Beiträge sind Abiturienten. Sie haben den Titel «Unsere Straßen tragen große Namen» vorgeschlagen. Dank ihrer Recherchen und unserer Gespräche gelingt ihnen eine lebendige Annäherung an Widerstandskämpfer der «Roten Kapelle. Zum ersten Mal erfahren die Heranwachsenden in den Schulen und die Bewohner des Wohngebiets in einer Broschüre viel mehr über das Leben und den Widerstand der Frauen und Männer, deren Namen seit 1972 sechs Straßen tragen.

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