»Das ist eine Gewerkschafterstadt«: Amazon gibt Protesten nach

Der Online-Konzern streicht seine Pläne für ein neues Hauptquartier in New York / Das Unternehmen reagierte auf starken Protest wegen geplanter Subventionen.

  • Lesedauer: 4 Min.

New York. Amazon hat seine Pläne für einen neuen großen Standort in New York gestrichen. Der weltgrößte Online-Händler reagierte damit auf die heftigen Proteste von örtlichen Politiker*innen und Anwohner*innen gegen das Projekt. »Wir brauchen positive Beziehungen mit Lokalpolitikern und den Vertretern des Bundesstaates«, so der Konzern. Es müsse langfristige Unterstützung geben, das sei in New York nicht gegeben.

Die geplante Ansiedlung in Long Island City im Stadtteil Queens war Ergebnis einer groß angelegten Suche nach einem »zweiten Hauptquartier« als Ergänzung zum bisherigen Firmensitz in Seattle bei der Amazon verschiedene Städte regelrecht gegeneinander konkurieren ließ. Die Vereinbarung zum neuen Amazon-Hauptquartier in New York City war in Geheimverhandlungen mit Gouverneur Andrew Cuomo und dem Bürgermeister von New York City Bill de Blasio zustande gekommen.

Nach Bekanntgabe des Deals hatten Lokalpolitiker*innen und Gemeindeaktivist*innen Anhörungen abgehalten und dabei besonders die geplanten massiven Subventionen an Amazon kritisiert. Ein weiterer Grund für ihren Widerstand war die Sorge, dass tausende sehr gut bezahlte Tech-Arbeitnehmer die Mieten in der Gegend in die Höhe schnellen lassen würden. Sie befürchteten das zudem nur ein Bruchteil der versprochenen tausenden Tech-Jobs an Menschen aus der Nachbarschaft gehen würden. Noch am Mittwoch hatte es ein Treffen zwischen Vertretern von Amazon und kritisch eingestellten Gewerkschaften gegeben, schrieb die »New York Times«.

»Das ist eine Gewerkschafterstadt, wir stehen für unsere Werte ein«, so reagierten Kritiker der Amazon-Ansiedlung wie der Stadtverordnete Jimmy Van Bramer auf eine Anhörung mit Konzernvertretern Anfang der Woche. Dort hatten Amazon-Manager laut Bramer erklärt gegen gewerkschaftliche Organisierungsversuche vorgehen zu wollen. Wegen der Union-Busting-Geschichte des Konzerns hatten zuvor auch lokale Gewerkschafter gegen das neue Amazon Hauptquartier mobil gemacht. »Sorry Jeff Bezos, es sind nicht wir, du bist es, es hätte nicht funktioniert zwischen uns«, schrieb am Donnerstagabend das Gewerkschafterbündnis ALIGN auf Twitter.

Bei dem mehr als ein Jahr langen Buhlen um die Gunst des Handelsriesen hatten sich etliche Städte, Bundesstaaten und Landkreise Nordamerika beworben und sich mit Subventionen und Gefälligkeiten gegenüber dem Konzern überboten. Amazon entschied sich im November schließlich dafür, jeweils rund 25 000 Jobs in New York und in Arlington im US-Bundesstaat Virginia in der Nähe der Hauptstadt Washington zu schaffen. In New York konnte sich Amazon Hoffnungen auf Steuervergünstigungen von in der Spitze nahezu drei Milliarden Dollar machen - und versprach im Gegenzug einen Schub für die lokale Wirtschaft und Investitionen von 2,5 Milliarden Dollar.

Doch ob die vollmundig versprochenen Steuereinnahmen für den Bundesstaat und die Stadt tatsächlich im Steuersäckel gelandet wären ist mehr als fraglich. Nach einem Bericht des US-Wirtschaftsmagazin »Fortune« vom Donnerstag hat der Digitalkonzern 2017 noch rund 5,6 Milliarden Dollar Gewinn in den USA erwirtschaftet und diesen im vergangen Jahr auf 11,2 Milliarden beinahe verdoppelt. Darauf zahlte der Konzern 0 Dollar Steuern. Die Steuerrate des an der Börse mit 800 Milliarden US-Dollar bewerteten digitalen Warenhauses lag dabei bei -1 Prozent, weil Amazon im vergangenen Jahr 129 Millionen Dollar an Subventionen erhalten hatte.

Das Vorhaben in Virginia solle unterdessen weiter vorangetrieben werden, teilte Amazon mit. Die Suche nach einem weiteren Standort neu zu starten, sei derzeit nicht geplant. Die Jobs, die in New York angesiedelt werden sollten werden nun auf alle Amazon-Standorte in den USA verteilt. Amazon beschäftige bereits mehr als 5000 Menschen in New York, und die Zahl der Mitarbeiter werde weiter steigen.

Der Grund für die Aufspaltung des »zweiten Hauptquartiers« auf zwei Standorte war vor allem das Problem, genug geeignetes Tech-Personal zu finden. Hinzu kamen Bedenken, dass die geplante Expansion, die mit starkem Zuzug von Arbeitskräften verbunden sein dürfte, einen einzelnen Ort und dessen Infrastruktur überfordern könnte.

Amazon hatte die Suche seit September 2017 öffentlichkeitswirksam betrieben und damit für viel Aufsehen gesorgt. Der US-Konzern, der zuletzt rund 613 300 Angestellte beschäftigte, erhielt 238 Bewerbungen. Einige Kandidaten legten sich besonders ins Zeug - aus Tucson in Arizona bekam Jeff Bezos einen riesigen Kaktus, New York ließ das Empire State Building in »Amazon Orange« strahlen, und Atlantas Vorort Stonecrest wollte sogar einen Teil der Stadt in »City of Amazon« umbenennen.

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Im Januar 2018 stellte der Konzern dann die 20 aussichtsreichsten Kandidaten vor, darunter waren etwa die Großstädte New York City, Chicago, Los Angeles und Toronto. Die vielen Bewerbungen gewährten Amazon zudem Einblicke in die Standortbedingungen zahlreicher Städte Nordamerikas. Dabei handelt es sich mitunter um wertvolle Daten, die Amazon möglicherweise gut für sich zu nutzen weiß. dpa/mwi

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