Geh doch nach Hause, SPD!

Roberto J. De Lapuente über die Vorstellungen der Sozialdemokraten von Arbeitnehmern

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Sozialdemokraten treten zur Charmeoffensive an. Hartz IV soll überwunden werden. Auch der Arbeitsmarkt soll menschlicher werden. Arbeitnehmer sollten ein Recht darauf haben, auch mal von daheim zu arbeiten. Homeoffice nennt man das in Business-Deutsch schon seit langem. Für Pendler ist das natürlich eine starke Sache, wenn man nur noch viermal statt fünfmal die Woche in übervollen Bahnen hocken oder mit dem Auto durch verstopfte Straßen schleichen muss. Sich im Schlafanzug an den Rechner hocken und trotzdem Geld verdienen: Das hat was.

Dieser Fortschritt für Arbeitnehmer ist allerdings Augenwischerei. Genau wie die neuerdings eingerichteten Hotspots für mobile Arbeitnehmer an deutschen Bahnhöfen, ist das Homeoffice dazu geeignet, die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit zu verwischen. Die Sozialdemokraten beteiligen sich an der nächsten Stufe der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Statt ein klares Bekenntnis zur Trennung von Arbeit und Privatheit einzufordern, wirken sie an der Vermischung beider Entitäten mit. Vor einigen Jahren hat man noch die Allerreichbarkeit vieler Arbeitnehmer kritisch gesehen, auch nach Dienstschluss mussten die noch zum Handy greifen - Ruhezeiten wurden so aufgelöst. Das steht heute nicht mehr auf der Agenda, man hat diese Kröte geschluckt und flexibilisiert munter weiter.

Wie gesagt, es mag für viele da draußen ein kleiner Segen sein, einen verbindlichen Anspruch darauf zu haben, sich wenigstens an einem Tag der Woche nicht dem Stress des Pendelns aussetzen zu müssen. Ob es allerdings so gesund ist, sich den Arbeitsplatz ersatzweise dorthin zu verlegen, wo man sich eigentlich von der Betriebsamkeit und Emsigkeit des Alltags zurückflüchtet, muss man schon stark bezweifeln. Wenn das Wohnzimmer nicht mehr der Platz ist, von dem man den Wahnsinn der Außenwelt ausschließt, wo man vor dem Zugriff dienstlicher Pflichten sicher ist: Wenn es zum Büro wird, geht dem Angestellten ein Stückchen intimer Harmonie verloren.

Überhaupt muss man aber auch mal nüchtern feststellen, dass es kein Grundrecht auf Verständnis und Anteilnahme darauf gibt, weil jemand seinen Wohnort so wählt, dass für ihn die Pendelei notwendig wird. In Frankfurt pendeln beispielsweise viele vom Taunus runter in die Stadt. Dort oben genießen sie die Ruhe und ihr Häuschen. Diese Leute könnten ja auch näher an den Arbeitsplatz ziehen, wenn sie nicht so einen langen Arbeitsweg haben wollten. Die Pendlerpauschale richtet es schon. Und nicht selten fahren sie ja ohnehin mit dem Dienstwagen ins Bankenviertel.

Viele Menschen sind von jeher näher an den Arbeitsplatz gezogen. Erzieherinnen zum Beispiel oder Verkäuferinnen. Auch Pflegekräfte versuchen in die Nähe ihres Einsatzortes zu ziehen. Im Grunde fast all das Personal, das nie in den vermeintlichen Genuss von Homeoffice geraten wird.

Ja, eine bescheidene Frage an die SPD wäre da überdies zu stellen? Wie machen wir das mit solchen Berufen und Arbeitsplätzen, bei denen Präsenz unbedingt nötig ist? Eine Krankenschwester kann von daheim nur sehr beschränkt am Klinikalltag mitwirken. Sie kann vielleicht zwei, drei Kartons mit Dokumentationsbögen mit aufs heimische Sofa nehmen und sie schon mal falten und zusammenstellen, damit sie für die nächsten Patienten griffbereit sind. Aber sonst ist da nicht viel los. Tja, liebe SPD, kann es vielleicht sein, dass eure Charmeoffensive wieder mal an den »hart arbeitenden Menschen«, wie Martin Schulz sie einst nannte, vorbeigeht?

Diese Sozialdemokratie glänzt seit Jahren dadurch, die wirklichen Abläufe in der Arbeitswelt nicht kennen zu wollen. Sie macht sich ein falsches Bild von ihr. Vor Jahren schon ist sie auf die Nummer hereingefallen, wonach Deutschland ein hochmoderner Standort sei, an dem keiner mehr an der Basis schuften muss, sondern gewissermaßen jeder nur noch Büroangestellter ist. Dieses Hochglanzportfolio stammt noch aus der Zeit, in der man der Politik die Mär vom hochtechnologischen Wandel einimpfte, um damit Reformen zur Flexibilisierung und zum Lohndumping abzuringen.

Aber in diesem modernen Deutschland gibt es eben nicht nur Angestellte, die am Notebook tippen, sondern noch altmodisch mit ihrer Hände Arbeit, ganz dicht am Mitmenschen arbeiten. Die Mehrzahl der Menschen in Deutschland sind an ihrem Arbeitsplatz nicht entbehrlich. Homeoffice mag vielen Arbeitnehmern hilfreich sein, aber trotzdem zeigt die SPD mit ihrem Vorhaben nur eines: Wie weit weg sie von der Lebensrealität arbeitender Menschen im Lande wirklich ist. Und das ist mit ein Grund, warum die Sozis immer häufiger nach Hause geschickt werden von den Wählern.

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