Der Scheich von Trebbus

Die Journalistin Karen Krüger unternahm eine »Reise durch das muslimische Brandenburg«

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Es sind in Deutschland etwa 2500 Moscheen zu finden, doch das Straßenregister kennt nur eine einzige Moscheestraße. Sie liegt in Wünsdorf (Teltow-Fläming). Hier stand einst die erste deutsche Moschee. Es war während des Ersten Weltkriegs. Das Kaiserreich kam mit dieser Moschee den religiösen Bedürfnissen muslimischer Kriegsgefangener aus Nordafrika, Indien und Zentralasien nach. Sie hatten als Soldaten für die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien gekämpft oder auch für Russland und sollten dazu bewegt werden, die Seite zu wechseln. Immerhin hatte der mit Deutschland verbündete osmanische Sultan Mehmed Khan einen heiligen Krieg ausgerufen. Als origineller Propagandatrick wurde das Gerücht gestreut, Kaiser Wilhelm II. sei zum Islam konvertiert und nenne sich nun Hadschi Wilhelm Mohammed.

Mit dieser Episode beginnt die Journalistin Karen Krüger ihre »Reise durch das muslimische Brandenburg«. Die Idee zu der kürzlich erschienenen Publikation entstand im März 2017, als Krüger in der Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam ihr Buch »Reise durch das muslimische Deutschland« vorstellte. Krüger erklärte sich bereit, »eine ähnliche Reise durch das islamische Brandenburg zu unternehmen und darüber zu schreiben«, berichtet die Integrationsbeauftragte Doris Lemmermeier im Vorwort. Die Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie haben das Buch dann herausgegeben. Nachdem in den Jahren 2015 und 2016 in Brandenburg Flüchtlinge aus Syrien eingetroffen sind und außerdem viele Tschetschenen, leben hier nun schätzungsweise 30 000 Muslime. Vorher spielte der Islam in diesem Bundesland praktisch keine Rolle. Es gab nur vereinzelt Gebetsräume wie die Al-Farouk-Moschee in Potsdam, die schnell viel zu klein war, sodass auch draußen auf dem Bürgersteig gebetet wurde. Übergangsweise wurde den Muslimen darum für ihr Freitagsgebet erst die Biosphäre im Volkspark zur Verfügung gestellt und danach ein altes Heizhaus.

Krüger hat in der Biosphäre vorbeigeschaut und mit Imam Kamal Mohammed Abdallah gesprochen - einem Palästinenser, der bereits seit 1990 in Potsdam lebt. Der Imam habe ihr nicht die Hand gegeben und dies mit einer religiösen Vorschrift begründet, die es auch im Judentum gebe. Allerdings, so ist nachzulesen, verweigern tatsächlich nur ultraorthodoxe Rabbiner fremden Frauen den Handschlag.

In Frankfurt (Oder) dagegen schüttelt Imam Mohammad Zakira seiner Besucherin die Hand und serviert ihr Tee. Der Syrer Zakira erlebte in Potsdam, wie Salafisten in die Flüchtlingsunterkunft kamen und dort agitieren wollten. Er hat sich nicht darauf eingelassen. »Ich brauche niemanden, der mir erklärt, was der Islam ist«, sagt er. In seinem Freundeskreis in Syrien habe es über Salafisten geheißen: »Je länger der Bart und je kürzer die Hose, desto größer sind die Schwierigkeiten, in die man womöglich wegen dieser Menschen gerät.« Solche Männer mit langen Bärten, kurzen Hosen und Häkelkäppi hat Karen Krüger in Brandenburg selbst gesehen. Sie hat ein ehrliches Buch geschrieben, in dem die Probleme bei der Integration keineswegs beiseitegelassen werden. Aber sie erzählt auch Geschichten, die Mut machen, schildert Situationen, die zu Tränen rühren. Ein Beispiel dafür sind die in Groß Schönebeck von einem Willkommensteam so freundlich empfangenen Tschetschenen. Auch »nd« hat darüber berichtet.

Krüger trifft außerdem Halis Dornbach, den Scheich von Trebbus. Er vertritt die mystische und sehr tolerante Strömung des Sufismus, bekannt durch den Drehtanz seiner Derwische. Sie besucht Oussama Kabbaj, einen Studenten der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Wenn er sich vorstellt, gucken manche verunsichert, und er sagt trocken: »Ja, der Vorname von bin Laden. Aber du kannst mich Ausländer rufen.« Dann lacht er, und das entspannt die Situation. Zunächst verblüfft sind die Einheimischen auch, wenn der Marokkaner im Braunkohlerevier mit »Glück auf« grüßt. Aber dann finden sie das sympathisch.

In Brandenburg/Havel widmet sich die Autorin der Frage, wie hier die Muslimbrüder Einfluss nehmen, konkret über den vom Verfassungsschutz beobachteten Verein »Sächsische Begegnungsstätte«. Sie schildert die Fakten und Situationen so, dass sich der Leser selbst eine Meinung bilden kann.

Nicht zu kurz kommen auch Befindlichkeiten der Alteingesessenen. Templins Bürgermeister Detlef Tabbert (LINKE) erzählt Krüger, wie die Bürger das Asylheim besichtigen durften, bevor dort die ersten Flüchtlinge einzogen. Eine Frau sei in der Gemeinschaftsküche in Tränen ausgebrochen. Sie habe die fabrikneuen Herde gesehen und gesagt, dass sie sich keinen leisten könne. Der Bürgermeister war misstrauisch. Sollte das ein kalkulierter Auftritt sein, um Vorbehalte gegen Flüchtlinge zu schüren? Er überzeugte sich persönlich und stellte fest, dass die Frau tatsächlich in Not war, obwohl sie das Geld vom Jobcenter weder verplempert noch für Alkohol ausgegeben hatte. Ihr krankes Kind musste regelmäßig zur Behandlung in eine Spezialklinik nach Neubrandenburg - und für die Fahrten dorthin hatte die Mutter ein Auto anschaffen müssen. Den Herd verkaufte sie, als das Geld knapp wurde. Im Gerätebestand für die städtischen Wohnungen war noch ein Herd übrig. Den hat der Bürgermeister der Frau bringen lassen.

Dass es in Brandenburg zu wenige Muslime gibt, um so wie in Berlin nach Herkunft getrennte Gebetsräume einzurichten, sieht Krüger als Chance. In Bernau, wo Tschetschenen und andere Nationen separate Gebetsräume haben wollen, gebe es im Endeffekt gar keinen. Die Muslime von Bernau schlüpfen einstweilen bei der jüdischen Gemeinde unter.

Karen Krüger: »Eine Reise durch das muslimische Brandenburg«, 159 Seiten. Bestellung per E-Mail unter: info@raa-brandenburg.de

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