Erdgas führt zu Schlafstörungen

Die Bürgerinitiative »Gegen Gasbohren Zehdenick/Templin« lehnt die Pläne der Firma Jasper Resources ab

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf dem Parkplatz an der Naturtherme Templin sind die Stellplätze restlos besetzt. Im Saal der Naturtherme bleibt kein einziger Sitz frei. Menschen stehen dicht gedrängt hinten, am Rand und in den Gängen zwischen den Stuhlreihen. Sie kauern sich an die Wand oder hocken auf der kleinen Treppe zur Bühne. Hunderte sind gekommen. Eingeladen hat die Bürgerinitiative »Gegen Gasbohren Zehdenick/Templin«.

Nördlich von Zehdenick, bei Templin, möchte die niederländische Jasper Resources GmbH Erdgas fördern. Dass der Rohstoff dort unten in etwa 4000 Metern Tiefe lagert, weiß man bereits durch Bohrungen in den 1970er Jahren. Ob es sich aber heute wirtschaftlich lohnt, das Vorkommen auszubeuten, das will die GmbH erst noch herausfinden. Von Dezember bis Februar hat es seismische Erkundungen gegeben, und zwar mit Methoden, die vor 40 Jahren noch nicht zur Verfügung standen. Riesige Rüttler erschüttern das Erdreich, und an den gemessenen Resonanzwellen lässt sich ablesen, wie der Untergrund beschaffen ist. Je nachdem, was die Auswertung der Messergebnisse ergibt, könnten in einem Jahr Probebohrungen durchgeführt werden. In etwa fünf Jahren könnte Erdgas gefördert werden. Doch Kyra Maralt von der Bürgerinitiative sagt: »Wir sind angetreten, kompromisslos zu verhindern.« In Templin hat sie als Verbündeten Bürgermeister Detlef Tabbert (LINKE). Die Stadt hatte beim Landesbergamt Widerspruch gegen die Pläne von Jasper Resources eingereicht. So konnte das Rathaus die seismische Erkundung allerdings nur um ein Jahr verzögern. Nun sucht Bürgermeister Tabbert seinerseits Verbündete und hat sie in den Nachbarkommunen gefunden. Gerswalde, das Boitzenburger Land und Lychen haben ihrerseits Widerstand angekündigt, berichtet Tabbert. Für die zweite Märzwoche hat er die Bürgermeister von Zehdenick, Gransee und Fürstenberg/Havel zu sich ins Rathaus eingeladen, um sie ins Boot zu holen. Warum stemmt sich Tabbert gegen die Erdgasförderung? »Die Risiken sind zu groß, und wer will schon auf einem Erdgasfeld Urlaub machen«, sagt er.

Der Tourismus ist wichtig für Templin. Außer Landwirtschaft hat dieser Teil der Uckermark sonst wenig zu bieten. Es verhält sich hier so ähnlich wie in der Gegend von Guhlen im Oberspreewald, wo das kanadische Unternehmen Central European Petroleum (CEP) Erdöl und Erdgas fördern möchte und schon bei den Probebohrungen angelangt ist. Auch dort wehrt sich eine Bürgerinitiative dagegen. Die Beweggründe sind dieselben. Die Anwohner fürchten negative Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit und Tourismus. Ob die Sorgen berechtigt sind? So wie die CEP versucht auch Jasper Resources zu beruhigen. »Jasper verpflichtet sich, in allen Aktivitäten mögliche Gefährdungen von Menschen und Natur auszuschließen«, betont das Unternehmen. Es handele sich um ein konventionelles Erdgasvorkommen, das auf die althergebrachte Weise zutage gefördert werden solle. Die umstrittene Fracking-Methode zum Aufbrechen von Gesteinsformationen werde nicht eingesetzt, versichert Jasper Resources.

Doch die Bürger sind misstrauisch. Darum sind so viele zur Informationsveranstaltung in die Naturtherme gekommen. Was sie dort hören, ist nicht geeignet, ihre Bedenken zu zerstreuen. Das Grundwasser könnte verdorben werden, heißt es. Zur notwendigen Reinigung der Bohrlöcher wird gesagt: »Da ist Uran drin, da ist alles Mögliche drin« und »Da werden hochgiftige Stoffe freigesetzt«. Es bestehe zudem die Gefahr, dass der Boden um zehn Zentimeter und mehr absacke. Hausfassaden könnten Risse bekommen. Ein Mediziner erzählt von Studien über Menschen, die in der Nähe von Erdgasförderstätten lebten und vorher gesund gewesen seien. Es bestehe ein erhöhtes Risiko, an Schlafstörungen, Reizhusten und Depressionen zu leiden, an Krebs zu erkranken oder Herz-Kreislauf-Probleme zu bekommen und so weiter. Der Arzt fügt hinzu, dass es ungeheuer schwer nachzuweisen sei, dass ein Patient wirklich wegen der Gasförderung Krebs oder etwas anderes bekommen habe. Auf der anderen Seite gebe es allerdings auch keine Studie, die bewiesen hätte, dass es auf lange Sicht keine gesundheitlichen Folgen der Gasförderung gegeben habe. Wenn das wider Erwarten in Templin so werden würde, »dann werden wir weltberühmt«, scherzt der Mediziner sarkastisch.

Für den 6. April plant die Bürgerinitiative eine Protestdemonstration, die um 14 Uhr auf dem Marktplatz in Zehdenick starten soll. Dass in ihrer Heimat Erdgas gefördert wird, möchten die Menschen nicht. Sie wollen auch nicht das per Fracking in den USA gewonnene Schiefergas »von Trump«, wie ein Mann aus dem Publikum sagt. Am besten wäre seiner Ansicht nach noch das russische Gas »von Putin«, weil es im sehr dünn besiedelten Sibirien gefördert wird.

85 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases werden importiert, argumentiert Jasper Resources. Da die momentan genutzten heimischen Gasreserven nur noch für etwa zehn Jahre reichen, werde die Abhängigkeit von Nordeuropa und Russland zunehmen. Um die Gasversorgung sicherzustellen, werde die Erschließung der Quellen in der Bundesrepublik »wichtiger«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.