Brennpunktpolizei im Anmarsch

Die Strukturreform der Behörde setzt den Fokus auf sogenannte kriminalitätsbelastete Orte

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Montag erreicht die geplante Reform der Polizei das Abgeordnetenhaus. Der Startschuss für die größte Umstrukturierung der Polizei seit Jahren war bereits seit Längerem gefallen: Nachdem die Innenverwaltung in der vergangenen Woche die Kriminalitätsstatistik für 2018 vorgestellt und Polizeipräsidentin Barbara Slowik eine Woche zuvor eine Reform ihrer Behörde angekündigt hatte, wurden nun die Abgeordneten informiert. »Ich verspreche mir davon eine verbesserte Einsatzfähigkeit der Polizei«, erklärt Innensenator Andreas Geisel (SPD) seinen Vorstoß. »Das ist der Auftakt zu Gesprächen«, ergänzt Polizeipräsidentin Slowik.

Dass mehr Polizeipräsenz auf der Straße einen positiven Effekt haben könnte, darüber sind sich am Montag alle Fraktionen einig. Lediglich bei der konkreten Ausführung unterscheiden sich die Vorstellungen. Die geplante Strukturreform beruht auf mehreren Säulen: einer Aufteilung der Direktionen, einer strategische Bearbeitung der sogenannten Brennpunkte sowie der Straffung eines Führungsstabs.

Die einschneidendste Neuerung stellt dabei die Schaffung einer »Direktion City« dar, die aus Teilen der Direktionen 3 (Mitte) und 5 (Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln) gebildet werden soll. Laut Slowik soll dies durch personelle Umverteilung, ohne zusätzliches Personal gestemmt werden. Das besondere an der neuen Direktion ist das Aufgabenfeld: Sie soll mit Fokus auf erklärte Brennpunkte arbeiten. Dazu gehören der Alexanderplatz, die Warschauer Brücke, das RAW-Gelände, der Görlitzer Park, das Kottbusser Tor und der Hermannplatz.

Um das leisten zu können, soll sie eine eigene Einsatzhundertschaft bekommen, die ihr - anders als bisher - fest zugeordnet ist und somit jederzeit zur Verfügung steht. Im Vorfeld wurde sie als »schnelle Eingreiftruppe« beschrieben, was bei der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus für Unbehagen sorgte. »Das soll so nicht sein«, sagt ihr innenpolitischer Sprecher, Niklas Schrader, dem »nd«. Es handle sich bei dieser Einheit nicht um eine klassische behelmte Hundertschaft, sondern um Polizeibeamte in normaler Uniform. Nachdem diese sich mit den »kriminalitätsbelasteten Orten« vertraut gemacht haben, sollen sie in den Kiezen unterwegs sein, wobei sie von der Direktion flexibler eingesetzt werden. Das erhöhe die Präsenz und kann laut Polizeipräsidentin rund 40 000 Einsatzkraftstunden einsparen, die an anderer Stelle in der Stadt eingesetzt werden könnten.

Das allein macht allerdings noch nicht die größte Reform seit den 1990er Jahren aus: Geplant ist außerdem eine Umstrukturierung aller örtlichen Direktionen. Statt bisher sechs soll es künftig nur noch fünf von ihnen geben - neben der City noch eine pro Himmelsrichtung. Somit könnten für Neukölln bald zwei Direktionen verantwortlich sein. All dies wird nun detailliert ausgehandelt werden müssen. »Politisch gibt es Konsens, nun gehe es um die Umsetzung«, sagt Frank Zimmermann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, dem »nd«.

»Wir straffen Führungsstrukturen«, so die Polizeipräsidentin. Sie selbst werde durch die Neuerungen organisatorisch entlastet und könne sich vermehrt strategischen Aufgaben zuwenden. Die Stabs- und Führungsebene soll jedoch nicht signifikant vergrößert werden, was zu Führungsproblemen führen könnte - das dürfte ein Balanceakt werden.

Noch mehr Unklarheiten gibt es bei der Reform des Landeskriminalamts (LKA). Hier will Innensenator Geisel einen neuen Stab zur Terrorismusbekämpfung schaffen. Wer genau dafür zuständig sein wird, ist dabei noch unklar: »Da sind schon noch ein paar Fragen offen«, sagt Schrader. Bisher sei lediglich geplant, dass der Stab den islamistischen Terrorismus ins Fadenkreuz nehmen soll. Ob auch die Bekämpfung des nicht-terroristischen Islamismus oder des Terrors von Rechts dazukommen sollen, für die bisher eigene Abteilungen zuständig sind, muss sich noch zeigen.

Die Opposition übte Kritik an der Strukturreform: Der Senator solle nicht »das Blaue vom Himmel versprechen«, so Burkard Dregger von der CDU. Für ihn ist klar, dass die Polizei gar nicht so viele neue Beamte ausbilden könne, wie Geisel verspreche und es für die Reform brauche. In Zeiten angespannter Personallage solle man lieber die Videoüberwachung ausweiten, findet Dregger. »Geliefert hat er bis heute nicht«, so Dregger. Für Frank Zimmermann von der SPD sind das alte Argumente: »Der CDU fällt nichts Neues ein.« Man werde das Personal schon ausbauen und müsse die Kriminalität in der Stadt auf mehreren Wegen bekämpfen.

Der Zeitplan für die Reform ist ambitioniert: Bereits Anfang 2020 soll diese umgesetzt sein. Noch im März beginnen die Gespräche mit den Direktionen und im April soll es eine Auftaktveranstaltung geben.

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