Thor Steinar zieht es nach Spandau

Klamottenladen als neuer Anziehungspunkt der Szene könnte zu Anstieg rechter Gewalt führen

  • Franz Seidl und Franziska Köhler
  • Lesedauer: 4 Min.

Grauer Himmel, graue Bauten. Spandau präsentiert sich am Montagnachmittag nicht von seiner schönsten Seite. Der aufziehende Sturm hat etwas endzeitliches. Vom S-Bahnhof Spandau zieht sich der Brunsbütteler Damm weit in Richtung Westen. Umgeben von Wohnhäusern, Autowerkstätten und zwielichtigen Etablissements leuchtet ein weinrotes Schild von einem unspektakulärem Flachbau. »Nordic Company« steht darauf in weißen Lettern. In der Auslage des Ladens stehen Schaufensterpuppen, bekleidet mit Pullovern und Jeans auf denen der Schriftzug »Thor Steinar« prangt.

Laut Homepage der Firma mit Sitz im brandenburgischen Königs Wusterhausen hat das Geschäft in Spandau am 1. März eröffnet, nachdem Mitte Februar der Thor-Steinar-Laden »Tønsberg« in Weißensee geschlossen hatte.

Die Marke Thor Steinar ist in der extrem rechten Szene beliebt. Anders als Lonsdale oder Fred Perry, die von Neonazis vereinnahmt wurden, gilt Thor Steinar als Marke von der Szene für die Szene. Die Anspielungen auf den Nationalsozialismus, nordisch-germanische Mythen und den deutschen Kolonialismus sind mannigfaltig. Die beiden Geschäftsführer sollen gut mit der rechten Szene vernetzt sein. Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) sagt dem »nd«: »Thor Steinar ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal der rechten Szene. Das Tragen dieser Marke kann auf eine rassistische, antisemitische und völkische Einstellung hinweisen.«

Auf den ersten Blick wirkt der Laden in Spandau wie ein normaler Outdoorshop. Am Eingang hängt eine Islandfahne, auf einem Flachbildschirm läuft eine Naturdoku von arte. In den Regalen liegt jedoch alles, was das Neonaziherz höher schlagen lässt: Pullover, Hosen, T-Shirts und Mütze mit einschlägigen Logos und Sprüchen. Im hinteren Teil des Geschäfts gibt es Frauenmode. Hinter der Kasse sitzt ein Mann mit Kappe und großen schwarzen Tunneln in den Ohrläppchen. Fragen wolle er nicht beantworten. Auch nicht schriftlich.

Am heruntergekommenen Wohnhaus auf der anderen Straßenseite hängt eine schwarz-weiß-rote Reichsfahne vom Balkon. Ein Nachbar bestätigt gegenüber »nd« die rechte Haltung des Anwohners und erzählt, dass in der Vergangenheit dort öfters lautstarke Partys gefeiert wurden. Ein bulliger Nachbar, der selbst eine Thor-Steinar-Jacke trägt, lehnt an einem hohen Zaun. Die Jacke besitze er schon länger, ein Problem mit den neuen Nachbarn habe er nicht. Angst habe er, dass ihm nun »die Zecken« das Auto kaputt machen. Rechter sei er aber nicht, sondern »Deutscher«. Und zu viele Ausländer im Stadtteil möge er nicht. Auch ein Mitarbeiter in einem nahe gelegenen Geschäft hat keine Probleme mit dem neuen Laden und der Gesinnung der Kleidungshersteller*innen: »Die tun mir nichts, ich tue denen nichts.«

Andere Anwohner*innen sehen das Geschäft kritischer. Der Mitarbeiter einer linken Kneipe meint, dass sich der Laden nicht lange in Spandau halten werde. Der Heß-Marsch habe im vergangenen Jahr gezeigt, dass es Nazis schwer im Kiez hätten. Die Rechten wollten zum 30. Todestag von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß in der Nähe des Gefängnisses demonstrieren, in dem sich der Kriegsverbrecher 1987 selbst tötete. Die Demonstration musste allerdings aufgrund von antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Mobilisierung nach Friedrichshain verlegt werden. Allerdings gebe es auch in Spandau mehrere Eckkneipen, in denen rechte Sprüche üblich sind, bestätigen Anwohner*innen. Auch Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus meint, dass zwar auch in Spandau rassistische Übergriffe stattfänden, allerdings keine organisierte Nazi-Szene wahrnehmbar sei. Laut Pressestelle der Berliner Polizei spiele der Bezirk im Bezug auf rechte Straftaten »eher eine unterordnete Rolle«.

Ist durch den Thor Steinar-Laden nun ein Anstieg rechter Gewalt im Stadtteil zu erwarten? »Wenn Rechte aus Berlin oder Brandenburg nun Spandau zum Shoppen ansteuern, kann es zu vermehrten Angriffen auf weltanschauliche Feinde dieser Personen kommen«, glaubt Müller. Auch die Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Helin Evrim Sommer, die ihren Wahlkreis in Spandau hat, befürchtet, dass der Stadtteil nun zu einer »Anlaufstelle für Nazis« werden könnte. Dem »nd« sagte sie: »Es geht nicht nur um Klamotten. Sie wollen bewusst den Raum hier erobern - und das müssen wir verhindern.« Müller erklärt: »Es ist richtig und wichtig, dass klargemacht wird, dass es sich nicht um einen normalen Laden handelt.« Laut Anne Düren vom Spandauer Bündnis gegen Rechts sind in den nächsten Wochen Proteste vor dem Geschäft geplant.

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