Schwierige Partnerschaft

Grüne wollen mit Gerechtigkeitsforderungen punkten und suchen Nähe zum DGB

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Grünen wollen auf Kosten der SPD wachsen. In einem internen Analysepapier, über das der »Spiegel« im Herbst berichtete, schrieb Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, dass von der SPD die meisten Zugewinne der vergangenen Monate gekommen seien. Kellner will diesen Effekt weiter auszunutzen: »Wichtig bleibt, dass wir die Betonung von Gerechtigkeitsthemen, die wir seit Beginn des neuen Bundesvorstands entschiedener erzählen, weiterführen.«

Diese Strategie der Grünen hat auch Einfluss auf ihr Verhältnis zum Deutschen Gewerkschaftsbund. Es würde die Glaubwürdigkeit der von den Grünen gemachten Gerechtigkeitsversprechen stärken, wenn sie diese gemeinsam mit dem DGB vertreten. Bei einem Treffen von Spitzen des Gewerkschaftsbunds und der Partei am Dienstag schien man sich bei vielen Themen einig zu sein. Nach der Tagung warben DGB-Chef Reiner Hoffmann und der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck für mehr Klimaschutz und die Umsetzung des Kohleausstiegs. Hoffmann forderte die Große Koalition auf, das Konzept für einen Ausstieg aus dem Kohlestrom so umzusetzen, wie die Kohlekommission es vorgeschlagen habe. Andernfalls werde die »gute Arbeit« des Gremiums in Frage gestellt.

Außerdem sprachen sich Habeck und Hoffmann für eine Stärkung der Tarifbindung in deutschen Unternehmen aus. Der Grüne erklärte, dass Tarifbindung und Mitbestimmung auch in den Ökobranchen, wie etwa im Bereich der erneuerbaren Energien, aber auch in Bioläden und im modernen Verkehr notwendig seien. »Super, wenn die auf dem Weg sind, die Welt ökologisch zu machen«, sagte Habeck. »Aber nicht auf Kosten der Sozialpartnerschaft in Deutschland.«

Hoffmann sagte zum Verhältnis von DGB und Grünen, Gewerkschaften und Parteien seien »lernende Organisationen«. Man habe sich in den letzten Jahren »sehr stark aufeinander zubewegt«. Es gehöre zum Selbstverständnis des DGB, mit allen demokratischen Parteien zu sprechen.

Im Bundestag stellen die Grünen die kleinste Fraktion. Ob sie ihre Bedeutung und Popularität steigern können, wird sich noch zeigen. Nach aktuellen Erhebungen haben sich die Sozialdemokraten etwas erholt und könnten die Grünen wieder vom Platz der zweitstärksten Partei verdrängen.

Viele Gewerkschafter würden das wohl begrüßen. Der freundliche Ton beim Treffen am Dienstag konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen Grünen und DGB eine Reihe von Differenzen gibt. Die Gewerkschaftsspitzen stehen mehrheitlich der SPD nah. Mitgliedschaften bei den Grünen wie von ver.di-Chef Frank Bsirske und DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sind eher die Ausnahme.

Nach der Bundestagswahl 2017 war man im DGB erleichtert, dass es mit einer Bundesregierung aus Union, FDP und Grünen nicht geklappt hat. Nach den Sondierungsergebnissen von Union und SPD teilte der DGB mit, dass »dieses Ergebnis weit mehr Substanz für die Arbeitnehmer« enthalte als die im November geplatzten Jamaika-Verhandlungen. Den Gewerkschaftern ging es unter anderem um die Rentenpolitik sowie um die Wiederherstellung der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Auch die aktuellen Vorschläge der Grünen zur Überwindung von Hartz IV werden im DGB zum Teil kritisch gesehen. So hatte Habeck eine »Garantiesicherung« ohne Arbeitszwang vorgeschlagen, die statt auf Sanktionen auf Anreize für die Aufnahme von Erwerbsarbeit setzt. Hoffmann sieht eine »mögliche Entkopplung von Arbeit und Leistungsbezug kritisch«. Zudem hieß es in seiner Pressemitteilung: »Wer wie die Grünen ein Konzept vorlegt, das 30 Milliarden Euro kosten würde, muss auch erklären, woher dieses Geld kommen soll.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -