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Energiearmut muss nicht sein
Linksfraktion will Stromsperren vermeiden und Betroffene besser schützen
Mehrere Tausend Berliner Haushalte konnten vor drei Wochen unverschuldet erleben, was es bedeutet, wenn kein Strom mehr aus der Steckdose kommt. Dass kein Fernseher funktioniert, ist das kleinste Problem, wie man dann schnell merkt. Unser Leben ist immer mehr auf jederzeit verfügbare Energie ausgelegt. Der Trend zur digitalen Kommunikation, zu »Smart Homes« und elektrischer Fortbewegung verstärken diese Abhängigkeit weiter.
Mehr als 130 000 Haushalten wurde in Berlin 2017 eine Stromsperrung wegen Zahlungsrückstand angekündigt, bei rund 16 000 Fällen kam es tatsächlich zum Vollzug. Nach aktuellen Informationen dieser Zeitung stieg diese Zahl 2018 deutlich an. So wurde nach Angaben von Stromnetz Berlin 2018 insgesamt 18 877 Kunden der Strom abgestellt. Ein Anstieg um mehr als 16 Prozent. Beim Gas ist die Zahl der Sperrungen deutlich niedriger: Rund 2500 Kund*innen wurde 2017 tatsächlich der Gashahn durch die GASAG abgedreht.
Für Michael Efler, für die LINKE im Abgeordnetenhaus, sind Stromsperren ein Aspekt von Armut. Efler sagte an Anfang dieser Woche auf einer Veranstaltung im Abgeordnetenhaus zu diesem Thema: »Die Hälfte der betroffenen Haushalte bekommt Hartz IV.« Nach Eflers Informationen gelten deutschlandweit derzeit 91 Prozent der Hartz-IV-Haushalte als »energiearm«.
Für den Linkspartei-Abgeordneten ist klar, dass die Versorger zum einen deutlicher auf die drohende Sperrung hinweisen müssen, zum anderen müssten sie Hilfeangebote und die drohenden Kosten benennen, denn die Abschaltung und die folgende Wiedereinschaltung der Stromversorgung kosten rund 90 Euro. Dass die Möglichkeit besteht, Stromsperren zu verhindern, hat die Berliner Verbraucherzentrale bei ihrer Energieschuldnerberatung festgestellt. So habe man seit Beginn des Projekts im vergangenen Jahr 360 Personen diesbezüglich beraten und in fast allen Fällen eine Sperrung vermeiden können, berichtet Hasibe Dündar, Projektleiterin bei der Verbraucherzentrale Berlin. Meist sei es möglich gewesen, in Verhandlungen mit dem Versorger eine Regelung zu erreichen.
»Wir sind mit Sperrungen nicht glücklich und haben auch ein Interesse daran, Stromsperren für sozial Schwache zu verhindern«, betont auch Bernd Rienecker vom Forderungsmanagement des Versorgers Vattenfall, auf oben genannter Veranstaltung. »Aber die millionenschweren Forderungsausfälle zahlen alle«. Gebe es Hinweise auf Härtefälle, wie etwa Schwerkranke oder auf gekühlte Medikamente angewiesene Patienten, führe man keine Sperrungen durch. Allerdings wisse man in der Regel nicht, ob es sich um einen Härtefall handele, zumal es oft gar keine Antwort auf die Anschreiben mit der Sperrandrohung gebe. Falls eine Telefonnummer hinterlegt sei, versuche man auch, die Kund*innen auf diesem Wege zu erreichen, aber auch das bleibe allzu häufig ohne Erfolg, berichtet Rienecker.
Helfen könnte ein Datenaustausch zwischen Jobcentern und dem Grundversorger Vattenfall. Ein Modell, das bereits in einigen Kommunen erfolgreich praktiziert wird. So zum Beispiel in Saarbrücken. Dort waren 2012 vier Kinder einer von Stromsperrung betroffenen Familie bei einem Brandunglück ums Leben. Inzwischen willigen dort Hartz-IV-Bezieher*innen in einen Datenaustausch zwischen Energieversorger und zuständigem Jobcenter ein. Kommt es zum Zahlungsrückstand können Probleme in der Kommunikation zwischen Jobcenter und Versorger meist gelöst werden. Nur bei rund einem Prozent der angekündigten Energiesperren komme es seitdem tatsächlich zur Sperrung, teilt die Stadt Saarbrücken mit.
Ein Problem ist: Stromkosten werden vom Jobcenter nicht extra bezahlt, sondern sind im Regelsatz enthalten. Für »Energie und Wohninstandhaltung« sind dort 37,60 Euro vorgesehen. Ein Betrag, der für die Stromversorgung eines durchschnitt᠆lichen Singlehaushalts nach aktuellen Preisen nicht ausreicht.
Sparen ist eine Lösung: »150 bis 600 Euro pro Jahr und Haushalt lassen sich hier nach unseren Erfahrungen einsparen«, sagt Sven Schoß vom Strom-Check der Caritas Berlin. Er berät mit seinem Team Menschen, die soziale Leistungen beziehen, und kann helfen, stromsparende Geräte zu finanzieren. »Teilweise haben unsere Klienten riesige Plasmafernseher an den Wänden. Die verbrauchen so viel Strom, dass man die Wohnung gar nicht mehr anders heizen muss.« Nach seiner Erfahrung sind vor allem auch Kühlschränke, die nicht auf dem aktuellen Stand sind, große Stromfresser.
Solche Beratungen hält der LINKEN-Politiker Michael Efler für richtungsweisend: »Beratungsangebote müssen gestärkt und ausgebaut« werden und »einkommensschwache Haushalte bei der Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte stärker unterstützt werden«, sagt er.
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