Sprachbarrieren beim Bergungseinsatz

Im Herbst 2017 strandete die »Glory Amsterdam« bei Langeoog. Jetzt liegt der Unfallbericht vor

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Hat der unsanfte Kontakt mit dem Meeresboden die Treibstofftanks des Schiffs aufgerissen? Droht es auseinanderzubrechen, so dass 1800 Tonnen Schweröl und 200 Tonnen Diesel in die Nordsee strömen? Fragen, die viele Menschen bewegten, nachdem sich am 29. Oktober 2017 die Meldung verbreitet hatte: Die 225 Meter lange »Glory Amsterdam«, Frachter einer Reederei aus Singapur, war nahe der ostfriesischen Insel Langeoog auf Grund gelaufen.

Umweltschäden aber blieben aus, und auch Menschen wurden nicht verletzt infolge der Havarie, zu der die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg am Mittwoch einen 192 Seiten starken Bericht vorlegte. Er offenbart ernste Schwachstellen des Einsatzes im Wattenmeer.

Auf dem Weg dorthin - weiterfahren sollte sie nach Rotterdam - war die »Glory Amsterdam« in Hamburg gestartet. In der Deutschen Bucht warf sie Anker, wartete dort auf Fracht. Währenddessen wütete das Sturmtief »Herwart« immer schlimmer. Orkanböen kamen auf, bliesen so heftig gegen das Schiff, dass es losgerissen und ins Meer hinaus getrieben wurde. Zum Gegensteuern waren die Maschinen der »Glory« zu schwach. Immer näher kam der Frachter solchen Stellen der Nordsee, die nicht tief genug waren, bis er schließlich nahe Langeoog auf Grund lief.

Von deutschen Behörden veranlasste Abschleppversuche, die vor dem Aufsetzen des Schiffes angelaufen waren, zogen sich Stunden hin. Nicht nur wegen des Sturmes, wie der Untersuchungsbericht zeigt. Niemand der 22 Besatzungsmitglieder an Bord des Havaristen sprach ausreichend Englisch, dass eine reibungslose Kommunikation mit den Helfern möglich gewesen wäre. Es gab Missverständnisse und Verzögerungen beim Einsatz, der am 2. November mit dem Abschleppen des Frachters zur Untersuchung nach Wilhelmshaven endete.

Zu Beginn der Bergungsbemühungen hatte sich die Besatzung der »Glory Amsterdam« sehr argwöhnisch gegenüber dem Team des Notschleppers »Nordic« gezeigt. Offenbar vermuteten die Seeleute, es handele sich um Mitarbeiter eines privaten, teuren Bergungsunternehmens, das seine Dienste aufdrängt. Jener Schlepper, bemängelt die BSU, war nicht nach internationaler Norm so angestrichen, dass er als offizielles, nichtkommerzielles Hilfsschiff zu erkennen gewesen wäre.

Misstrauisch zeigte sich die Mannschaft des Frachters auch, als das Kommen eines »Boarding Teams« angekündigt wurde. Ein solches besteht aus erfahrenen Fachleuten, die auf Havaristen Hilfe leisten. Der Begriff »Boarding Team« aber, so die BSU, steht in vielen Regionen für militärische Spezialeinheiten. Womöglich habe man auf der »Glory Amsterdam« befürchtet, solche Kräfte würden an Bord kommen und könnten das Kommando auf dem Schiff an sich reißen. Die Untersuchungsstelle empfiehlt nun, die Bezeichnung »Boarding Team« durch »German Emergency AssistanceTeam« zu ersetzen.

Assistenz hätte die Besatzung des Havaristen nach Erkenntnis der BSU dringend benötigt, etwa beim Anbringen von Schlepptauen. Sie wurden von der Mannschaft entgegen dem Rat des Bergungsteams an nur einem Schiffspoller befestigt, der dann unter der Kraft des ziehenden Schleppers prompt aus seiner Verankerung riss. Die Reederei hat in einer Stellungnahme angekündigt, das Herstellen einer seemännisch korrekten Schleppverbindung in ihr Ausbildungsprogramm zu nehmen. Auch um bessere englische Sprachkenntnisse der Besatzungen wolle man sich kümmern, heißt es aus Singapur.

In Deutschland indes dürften sich die zuständigen Dienststellen durch den BSU-Bericht dazu aufgefordert sehen, Havarie-Kräfte mit zeitgemäßen Kommunikationsmitteln auszurüsten. So rügt die Untersuchungsstelle: »Die mangelhafte Ausstattung des Boarding Teams gipfelte darin, dass dessen Leiter nur dank seines privaten Mobiltelefons Kontakt mit dem Havariekommando in Cuxhaven halten konnte.«

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