Dammbruch in Thüringen?

Linkspartei-Mitglieder befürchten Bereitschaft der CDU zur Koalition mit der AfD / Unionspolitiker widerspricht

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Monaten ist der LINKE-Landtagsabgeordnete Steffen Harzer überzeugt davon, dass die CDU nach der Thüringer Landtagswahl im Herbst auch mit Hilfe der rechten AfD koalieren würde, um wieder an der Landesregierung beteiligt zu sein. Auch wenn selbst Harzer einräumt, er glaube nicht, dass diese Option - so das Wahlergebnis sie denn hergeben würde - die bevorzugte Variante der Landes-CDU unter ihrem Vorsitzenden Mike Mohring wäre. »Aber die würden das machen, wenn sie keine andere Alternative auf eine Rückkehr zur Macht hätten«, sagt Harzer.

Vor wenigen Tagen war im Amtsblatt von Hildburghausen eine historische Nazi-Anzeige abgedruckt worden, die ein Bombardement der Alliierten als »Terrorangriff« schmäht. In der Stadt sitzt CDU-Mann Holger Obst als Bürgermeister im Rathaus. Das hat Harzer in seiner Überzeugung bestärkt. Sowohl an der Basis der Thüringer CDU als auch an deren Spitze, argumentiert er, gebe es schon seit Jahren Bewegung nach rechts.

Tatsächlich ist Harzer längst nicht der einzige LINKE-Politiker, der glaubt, im Fall der CDU werde das Bekenntnis nicht lange halten, das alle etablierten Thüringer Parteien in den vergangenen Monaten abgegeben haben: Egal, wie die Wahl ausgeht, es wird keine Form der Zusammenarbeit mit der AfD geben. Sowohl auf den Fluren des Thüringer Landtags als auch an der LINKE-Basis und selbst in manchen Zimmern der Partei in Berlin sagen Linke - oft nicht-zitierfähig - sie glaubten, die CDU werde eben doch mit den Rechtspopulisten gemeinsame Sache machen, wenn sie nur über diesen Weg Regierungsverantwortung übernehmen könnten.

Dies wird in solchen Gesprächen auch im Zusammenhang mit Sachsen geäußert, wo im Herbst ebenfalls ein neuer Landtag gewählt wird. Und wo die AfD bereits bei der Bundestagswahl 2017 stärker als die CDU geworden war. Doch sie wird eben auch immer wieder für Thüringen beschworen, wo die Union unter Mohring bei jeder Gelegenheit erklärt, sie wolle unbedingt verhindern, dass der LINKE-Politiker Bodo Ramelow ein zweites Mal zum Ministerpräsidenten gewählt wird.

Harzer wirft der Thüringer CDU-Führung unter anderem vor, sowohl in Gemeinde- und Stadträten als auch im Landtag gezielt auf Stimmen der AfD und teilweise der NPD zu setzen, um Mehrheiten gegen linke Politik zu erreichen. Zwar sei es richtig, dass demokratische Parteien nichts dafür könnten, wenn ihre Anträge auch unerwünschte Stimmen bekämen, sagt Harzer. Immerhin habe die AfD im Landtag in Ausnahmefällen auch mit Rot-Rot-Grün gestimmt. Doch habe es eine völlig andere Qualität, wenn man gezielt auf Stimmen von Populisten und Extremisten setze, um eigene Vorhaben durchzubringen. Das habe die CDU beispielsweise im Stadtrat von Eisenach getan, als sie mit der NPD gegen die Fusion der Stadt mit dem Wartburgkreis gestimmt habe. Und das sei auch das Kalkül hinter dem Vorstoß gewesen, den CDU-Mann Michael Heym als Landtagspräsidenten vorzuschlagen. »Da hat Mohring gehofft, dass Abweichler von Rot-Rot-Grün sowie CDU und AfD gemeinsam Heym wählen würden«, sagt Harzer. »Hat nicht geklappt.«

Führungsleute der Thüringer CDU reagieren entsetzt bis wütend auf solche Vorwürfe. »Die CDU hat eine Koalition mit der AfD nach der Landtagswahl bereits mehrfach kategorisch ausgeschlossen«, sagt der Generalssekretär der Partei, Raymond Walk. »Daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln.« Dass LINKE an der Glaubwürdigkeit dieser Aussagen zweifeln würden, sei »eine bodenlose Unverschämtheit«, sagt Walk - und im Thüringer Fall sogar »ehrabschneidend«, weil die Landes-AfD mit ihrem Frontmann Björn Höcke besonders weit rechts stehe.

Die Argumentation Harzers nennt Walk »abenteuerlich«. Besonders die Verweise des LINKE-Politikers auf die Situation in Eisenach seien untauglich, weil es im dortigen Stadtrat keine Koalition gebe und deshalb ständig wechselnde Mehrheiten mit- und gegeneinander stimmen würden, sagt Walk. Und in Sachen Nazi-Anzeigen von Hildburghausen habe er als CDU-Vertreter für die Landespartei alles gesagt, was dazu gesagt werden müsse.

Dass der Vorgang für die Union völlig inakzeptabel und ein schwerer Fehler von Bürgermeister Obst gewesen sei, »hätte ich nicht deutlicher machen können«, erklärt Walk. Dass er und nicht Mohring das gesagt habe, sei bedeutungslos, »denn selbstverständlich habe ich mich in dieser Frage mit dem Landesvorsitzenden abgestimmt«. Wie innerhalb der Partei Aufgaben verteilt würden, müsse Harzer schon den Christdemokraten überlassen. Von daher könne auch keinesfalls die Rede davon sein, dass die Thüringer CDU in den vergangenen Jahren irgendwie nach rechts gerückt sei oder sich nicht ausreichend gegenüber rechten Tendenzen abgrenze.

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