Hungerstreik für Öcalan

14 kurdische Aktivisten protestieren in Straßburg für Ende der Isolationshaft

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein kleines Lokal in der Avenue de Colmar in Straßburg. An einer Wand hängt ein Bild mit 14 lächelnden Menschen. Sie machen mit ihren Händen das Siegeszeichen, über ihrer Kleidung tragen sie weiße Westen mit dem Abbild von Abdullah Öcalan, dem Mitbegründer der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Das Bild ist vom 17. Dezember letzten Jahres, dem ersten Tag des unbefristeten Hungerstreiks. Die 14 kurdischen Aktivisten kämpfen seit diesem Zeitpunkt mit ihren Körpern für ein Ende der Isolationshaft, unter der sich Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel İmralı befindet. Die Hungerstreikenden fordern, dass ihr ehemaliger militanter Anführer das Recht erhält, von Anwälten und Familienangehörigen Besuch zu empfangen.

Die realen Körper unterscheiden sich mittlerweile von denen, die auf dem Bild in dem Lokal zu sehen sind. Wie aktuelle Fotos zeigen, tragen einige der geschwächten Aktivisten Mundschutz. Andere versuchen zu lächeln, wirken aber ausgezehrt. Mindestens drei Streikende mussten bisher nach Angaben kurdischer Nachrichtenagenturen wegen akuter Gesundheitsprobleme vorübergehend ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Die 14 Aktivisten haben sich Straßburg ausgesucht, da hier der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Europarat sitzen. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass die Türkei als Mitglied des Europarats auch zur Einhaltung der Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention in Bezug auf Inhaftierte verpflichtet ist.

Die Straßburger Aktivisten sind derweil Teil einer größeren Protestwelle. Leyla Güven, Abgeordnete der türkischen Linkspartei HDP, hatte am 7. November vergangenen Jahres im Gefängnis der Stadt Diyarbakir als erste mit dem Hungerstreik begonnen. Ihrer Aktion haben sich bis heute viele weitere Kurden angeschlossen. Nach Informationen des kurdischen Zentrums für Öffentlichkeit, Civaka Azad, waren es bis Anfang März in 67 türkischen Gefängnissen 331 Inhaftierte, die sich im unbefristeten Streik befanden. Ab März soll der Protest noch auf weitere Gefängnisse ausgedehnt worden sein, konkrete Zahlen liegen hier bisher noch nicht vor.

Unter den Straßburger Aktivisten befinden sich auch fünf Kurden aus Deutschland. Einer von ihnen ist der 55-jährige Yüksel Koç aus Bremen. Er ist Ko-Vorsitzender des PKK-nahen europaweiten kurdischen Dachverbandes »Demokratischer Gesellschaftskongress der Kurd*innen«. Koç stand in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit, da er in Bremen von einem mutmaßlichen türkischen Spion ausgespäht wurde. Zu seinem Hungerstreik erklärte der Aktivist: »Die Bundesregierung sollte eine Transformation ihrer Kurdenpolitik im Sinne der Demokratisierung der Türkei und der Lösung der kurdischen Frage einleiten.« Sie trage für die Gesundheit der aus Deutschland stammenden Streikenden Verantwortung.

Mitte Januar wurde die Bundesregierung von dem LINKE-Abgeodneten Michel Brandt zur Situation Öcalans befragt. »Das Antifolter-Komitee äußert klare Kritik an der Abschottung der auf Imrali Inhaftierten«, erklärte der zuständige Staatsminister. »Die türkische Regierung wird darin dazu aufgerufen, Besuche zu ermöglichen und Beschränkungen des Umgangs der Häftlinge untereinander abzubauen. Die Bundesregierung begrüßt diese Forderungen.«

Hungerstreiks soll es laut Civaka Azad ebenfalls in Toronto, Wien, Genf, Den Haag, Newport sowie in den deutschen Städten Kassel, Nürnberg, Duisburg und Gießen geben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -