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Komplizen beim Drohnenkrieg
Angehörige von Opfern klagen in Berufungsverfahren gegen die Bundesrepublik
Eigentlich sollte der 29. August 2012 ein guter Tag für Faisal bin Ali Jaber werden. Am Vortag hatte sein Sohn geheiratet, viele Verwandte waren in das Dorf Khashamir im Osten Jemens gekommen. Faisal bin Ali Jaber saß beim Abendessen, als er erst ein Brummen und Lärmen hörte, dann ein grelles Licht sah und dann den Krach einer Explosion hörte. Etwa anderthalb Kilometer von seinem Haus entfernt waren mehrere Drohnen eingeschlagen. Faisal bin Ali Jaber eilte zur Einschlagstelle im Hof der örtlichen Moschee.
Vier »Hellfire«-Raketen hatten dort fünf Menschen umgebracht. Unter ihnen Salim und Walid bin Ali Jaber. Schwager und Neffe von Faisal. »Unsere Familie ist kein Feind der USA. Im Gegenteil: Die Menschen, die sie getötet haben, waren entschiedene Gegner von Al Qaida. Salem hatte Al Qaida unmittelbar vor seinem Tod in einer Predigt öffentlich und eindeutig kritisiert«, sagt er. Drei Männer von Al Qaida hatten Salim nach seiner kritischen Predigt zum Gespräch gebeten. Zur eigenen Sicherheit hatte er Walid mitgenommen, der bei der Polizei arbeitete.
Es waren also zwei Unschuldige, die dem sogenannten Antiterrorkrieg zum Opfer fielen. Die Angaben darüber, wie viele Zivilisten schon von Drohnen der US-Amerikaner getötet wurden, schwanken sehr stark. In einem Bericht aus dem Jahr 2016 geht die US-Regierung von einer Zahl zwischen 64 und 116 Menschen aus. Das Büro für Investigativen Journalismus spricht hingegen von bis zu 969 zivilen Drohnenopfern alleine in Pakistan. US-Präsident Donald Trump hob in der vergangenen Woche eine Anordnung auf, nach welcher der Auslandsgeheimdienst CIA jährlich die Zahl der durch Raketen von Drohnen getöteten Terroristen und Zivilisten veröffentlichen musste.
Was hat das alles mit Deutschland und dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zu tun? Der US-Drohnenkrieg wäre nicht möglich, ohne die US-Airbase Ramstein in Rheinland-Pfalz. Wegen der Erdkrümmung ist eine direkte Drohnensteuerung aus den USA nicht möglich. Signale der Bediener hätten eine zu große Verzögerung. Deswegen werden ihre Anweisungen per Glasfaserkabel nach Ramstein übertragen. Das dortige Sateliten-Relais leitet sie weiter.
»Ohne Deutschland wären mein Schwager und mein Neffe noch am Leben. Ohne Deutschland könnten die USA keine Drohnenangriffe in Jemen fliegen. Deutschland muss verhindern, dass die USA Ramstein weiter nutzen, um Tod und Zerstörung über mein Land bringen«, so Faisal bin Ali Jaber. Deswegen klagte er gegen die Bundesrepublik Deutschland, konkret gegen das Verteidigungsministerium, das für die Kooperation mit den US-Streitkräften verantwortlich ist. Und weil das Verteidigungsministerium offiziell in Bonn sitzt, müssen sich nordrhein-westfälische Gerichte mit dem Fall befassen.
Eine erste Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln scheiterte im Mai 2015. Die Drohnenopfer aus Jemen seien zwar prinzipiell zur Klage berechtigt, da auch ihr Leben durch das Grundgesetz geschützt sei, hieß es damals. Aber in der Sache selbst wollte das Verwaltungsgericht nicht entscheiden. Eine völkerrechtliche Bewertung der Drohnenangriffe könne ein deutsches Gericht nicht vornehmen, auch würde es dem Gericht an Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten fehlen. Ein Urteil und die Kündigung von Nutzungsverträgen der Airbase Ramstein würde außerdem die »vitalen und berechtigten außen- und verteidigungspolitischen Interessen« Deutschlands beeinträchtigen.
Faisal bin Ali Jaber und seine Verwandten legten genauso wie ein Mann aus Somalia, der bei einem Drohnenangriff seinen Vater verloren hatte, Berufung ein. Nun hat das Oberverwaltungsgericht Münster über die Verantwortung der Bundesrepublik für den amerikanischen Drohnenkrieg zu entscheiden. Das Gericht muss über völker- und verfassungsrechtliche Fragen entscheiden. Dass die US-Airbase vom Oberverwaltungsgericht lahmgelegt wird, ist unwahrscheinlich. Allerdings schafft das Verfahren Öffentlichkeit für die zivilen Drohnenopfer und die Bundesrepublik als Knotenpunkt dieses Krieges.
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