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Politik droht Schülern mit Konsequenzen
Auch in Hessen gingen Tausende Schüler*innen auf die Straße
Kurz vor dem weltweiten Aktionstag gegen den Klimawandel im Rahmen der Kampagne «Fridays for Future» hatte die Kultusbürokratie im schwarz-grün regierten Hessen noch einmal alle streikbereiten Schüler im Land vor den Konsequenzen ihres Handelns gewarnt.
Wer während des Unterrichts für den Klimaschutz demonstriere, müsse mit Konsequenzen rechnen. «Unentschuldigtes Fehlen» sei zu dokumentieren, wiesen die Staatlichen Schulämter auf Geheiß von Kultusminister Alexander Lorz die Schulleitungen an. Der Streikbereitschaft tat dies allerdings keinen Abbruch. Auch viele Lehrer machten aus ihrer Sympathie für die Klimastreiks keinen Hehl und manche behandelten globale Klimafragen vorab im Unterricht.
So gingen im Rahmen der weltweiten Schulstreiks gegen die sich anbahnende Klimakatastrophe hessenweit von Kassel bis Bensheim viele tausend Jugendliche am späten Freitagvormittag bei regnerischer Witterung direkt aus dem Klassenzimmer heraus auf die Straßen. Die größte Demonstration fand in der Bankenmetropole Frankfurt statt, wo mehrere tausend Menschen bei der Abschlusskundgebung den Opernplatz füllten.
In der Landeshauptstadt Wiesbaden versammelten sich rund 1000 Menschen zur Auftaktkundgebung am Hauptbahnhof. Zahlreiche selbst angefertigte Schilder zeugten von Herzblut, Engagement, Entschlossenheit und Fantasie der anwesenden Schüler aus der Mittel- und Oberstufe. So brachten Parolen wie «Ihr habt zuerst geschwänzt», «Warum Mathe lernen, wenn mit den Politikern eh nicht zu rechnen ist?», «Kein Bock auf hitzefrei» oder «Lieber heute Schule schwänzen, damit wir morgen noch erleben» die Stimmung der Demonstranten auf den Punkt. «Can`t you see the CO2-nsequences?», hatten sich zwei Schülerinnen auf ein Pappschild gemalt.
Beim Demonstrationszug durch die Innenstadt signalisierten viele Passanten durch Applaus oder nach oben gestreckte Daumen Zustimmung zum Klimaprotest. Ein Block aus Senioren mit Erfahrung in den Protestbewegungen der 1960er und 1970er Jahre reihte sich in die Demo ein. Vielen stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, dass die Jugend in der Republik endlich in größerer Zahl wieder auf die Straße geht und der tonangebenden politischen Kaste lautstark misstraut. «Rentner begleitet Schüler zur Klimademo!», so die Aufforderung in einer Kleinanzeige, die der Arzt Klaus Warzecha in der Lokalpresse geschaltet hatte.
«Wir sind hier nicht wegen einer Kleinigkeit, sondern wir sind hier in Notwehr», rief der Schüler Julian Danker aus Geisenheim am Rhein bei der Abschlusskundgebung vor dem Hessischen Landtag den Anwesenden zu und schloss in seine Kritik führende Köpfe der Regierungen in Berlin und Wiesbaden mit ein. «Wenn der FDP-Vorsitzende Lindner sagt, Klimaschutz sei etwas für Profis, dann ignoriert er, dass Wissenschaftler deutlich stärkere Maßnahmen gegen den Klimawandeln fordern als bisher geplant.» Das Land brauche «eine Politik, die den Mut hat, nicht nur Stammtische zu bedienen und die sich nicht hinter Ausreden und leeren Absichtserklärungen versteckt», rief Danker unter Beifall aus. «Wir stehen hier und bleiben, solange die Politik ignorant ist».
«Viele von Euch haben kein Wahlrecht, aber ihr habt ein Streikrecht», rief der Wiesbadener Stadtverordnete Ingo von Seemen (LINKE) den Demonstranten zu. Er sprach sich für einen Schulterschluss und gemeinsamen Kampf mit allen Arbeitern, Angestellten, Beamten und Lehrern aus – «solange bis sich endlich etwas ändert und alle Regierungen der Welt handeln». Zum Abschluss kündigten die Organisatoren voller Zuversicht weitere öffentliche Aktionen und Demonstrationen im Rahmen von Fridays for Future an, mit denen sie insbesondere auch in den Wochen vor den Europawahlen am 26. Mai Flagge zeigen wollen.
Unterstützung für die weltweiten Schulstreiks signalisierte auch die Bildungsgewerkschaft GEW. «Wir sehen dieses Engagement mit Freude, denn es zeigt, dass die heutige Schülergeneration der Schüler alles andere als politikverdrossen oder bequem ist», so die hessische GEW-Landesvorsitzende Maike Wiedwald. Statt streikende Schüler zu sanktionieren, sollten die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen die Anliegen der Jugendlichen ernsthaft aufgreifen und in politische Maßnahmen umsetzen«, so die Gewerkschafterin.
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